Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Und immer wieder Liebe Roman

Titel: Und immer wieder Liebe Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
Vom Netzwerk:
hinaus panische Angst davor, im Dunkeln und bei Regen mit einem Loch im Reifen liegen zu bleiben. Findest du das jetzt irgendwie bedenklich?«
    »Nichts an dir ist bedenklich, Emma, hast du das vergessen?«
    »Federico, unser Gespräch wird pathetisch. Aber weißt du was? Das ist mir scheißegaaaaal...« Ich brülle den letzten Satz auf das Meer hinaus. »Ist es das, was man gemeinhin Glück nennt?«
    »Das Glück gehört den Kindern, und du bist das schönste und netteste Kind der Welt.«
    Wir stehen an der Landspitze. Der Leuchtturm hinter uns ist weiß mit lackrotem Dach, und die Felsen drum herum haben die
Gestalt von Meeresungeheuern. Nicht einmal mehr der Leuchtturmwärter wohnt noch hier. Das Innere des Turms ist leer, und die Schieferplatten bilden ein schwarzgraues Schachbrettmuster. Die Heide wird erstickt von Weißdornbüschen, Disteln, Winden und Quellern, die sich der Felsen bemächtigen. Eine ganze Brut fetter, schwarzer Vögel mit rotem Schnabel sucht unbekümmert nach Nahrung. Ich bin in Federicos Armen geborgen, spüre seinen Atem, seinen Körper, der so warm ist und für ein paar Nächte so nah. Mein safrangelber Topfhut liegt neben dem Korb, aus dem ein Ginsterzweig herausschaut.
    Wir sind die einzigen menschlichen Lebewesen, die sich freiwillig und wider besseres Wissen noch hier herumtreiben. Die unwirtlichen Windböen lassen Ohren und Nasenspitzen zu Eis gefrieren. Unter diesen Umständen wird es sogar schwierig, sich zu küssen, was auch mit der Kakaobutter zu tun hat, die ich ihm auf die vormals rissigen und jetzt glitschigen Lippen geschmiert habe. Der Wind, der so rau ist wie ein echtes Seemannslied, verhindert jedes Gespräch. Die Wellen kommen und gehen, reden mit sich selbst, und ich bin entschieden guter Laune. Nein: Ich bin glücklich.
    »Emma, in wenigen Stunden wird der Leuchtturm abgeschnitten sein und wir mit ihm. Möchtest du für immer hierbleiben?«
    »Für immer und ewig?«, frage ich erschrocken. »Aber wir haben doch gar nichts zu lesen dabei, und was würdest du ohne deinen Zeichenblock machen?«
    Er legt seine Lippen auf die meinen, statt mich über Bord zu werfen. Wenn man sich in diesem dummen Zustand des Verliebtseins – oder was auch immer es ist – derart mächtig fühlt, dann gibt man törichte Antworten, um nicht zugeben zu müssen, dass man alles mit der geliebten Person tun würde: gehen oder bleiben,
sich bewegen oder einfach stillhalten, fliegen, sich an den Rand einer Klippe stellen, sich bei der Fahrschule anmelden oder sich von lasziven Gedanken forttragen lassen, ohne sich schuldig zu fühlen. Mit ihm zusammen würde ich es mit dem Ozean aufnehmen und mit allem, was uns dem Mysterium näher bringt. So wie er mich anschaut, möchte Federico etwas sagen. Dann bremst er sich jedoch. Die Worte werden zur Barriere, sobald wir zusammen sind. Im perfekten Rahmen einer perfekten Welt haben wir Angst zu bereuen, was wir sagen, haben Angst, das Gleichmaß einer Liebe zu verlieren, die den Gesetzen der Logik nicht standhält. Ich möchte nichts aufwühlen, möchte mich nicht erinnern, möchte nicht diskutieren, unterscheiden, untersuchen, analysieren. Ich möchte mich noch nicht einmal dazu zwingen, etwas zu verstehen und Grenzen oder Regeln zu erkennen. Ich möchte hier sein und aufhören, die verbleibenden Stunden zu zählen. Niemand hat eine Uhr dabei. Er trägt seinen Ehering nicht. Das kommt vor. Im Alter werden die Finger dicker, und es wird schier unmöglich, ihn an die Stelle zu stecken, die ihm von der Liebe einst bestimmt worden war.
    »Was machen wir nur?«
    »Wir lauschen auf das Meer und lösen Kreuzworträtsel, meine Dame.«
    »Hör auf damit.«
    »Ich weiß es nicht, Emma. Ich weiß nicht, was wir hier machen, aber es ist mir auch nicht sonderlich wichtig, dem Ganzen einen Namen zu geben.«
    Die Vögel mit den roten Schnäbeln kreisen in der Luft, und direkt vor uns humpelt eine tellergroße Krabbe in Richtung Meer davon. Die Flut steigt im Einklang mit einer Natur, die keine Schwäche kennt. An Federico geklammert, fühle ich mich sicher. Dieses grenzenlose Meer tilgt unsere Grenzen und verleiht uns
Stabilität. Tatsächlich sind wir an diesem Zipfel der Erde vor Anker gegangen, um uns mit Sarah Bernhardt abzulenken.
    »Ich frage mich, wie sie hierhergekommen ist«, denke ich laut.
    »Sie kam vom Gare de Montparnasse, von dem auch du abfährst, und zwar in einem Schlafwagen, der vierzehn Stunden bis Quiberon brauchte. Das Postschiff wartete dann bereits

Weitere Kostenlose Bücher