Und immer wieder Liebe Roman
frivole und banale Dinge, wie es mir so sehr gefällt. Beliebige Plaudereien für einen beliebigen Tag. Ich schaue auf die Uhr. Fünf vor neun.
»Wir sollten gehen.«
Der Frühstücksraum ist leer. Duft von Kaffee und Toast. Wir wirken wie ein Mann und eine Frau, die sich nichts mehr zu sagen haben. Die sich nicht einmal ihre schlimmen Träume erzählen. Federico bestreicht gebutterte Toastscheiben mit Marmelade oder belegt sie mit Käse. Er hebt die Milchtasse an den Mund. Ich möchte ihm die Krümel von der schmalen Unterlippe küssen. Sogar auf sie bin ich neidisch. Wir können uns nicht unterhalten, können nicht über belanglose Dinge reden, nicht einmal über das Wetter. Oder darüber, wie wir uns fühlen. Madame Bertho hat mitten auf den Tisch eine mit gelben Blumen bemalte Karaffe gestellt. Alles ist perfekt. Nur wir nicht.
Trotz des gedämpften Lichts können wir uns keinen Kommentar, kein Urteil, keinen Gedanken zu unserem Urlaub abringen. Man zieht immer Bilanz.
Federico trinkt seinen Milchkaffee in kleinen Schlucken, schaut mich an und streichelt mit der freien Hand mein Handgelenk.
»Als Kind habe ich das Frühstück immer heruntergeschlungen, damit ich so schnell wie möglich gehen konnte.«
»Ich möchte nie wieder aufstehen. Ich will nicht zurück.«
Ein Hotelgast hat sich auf einer Holzliege auf dem Rasen ausgestreckt. Er hält ein Buch in den Händen und kaut an einem Bleistift. Ich widerstehe der Versuchung, ihn zu fragen, was er liest und ob er einzelne Sätze unterstreicht; ich möchte mich nicht aufdrängen und ihn in mein Lexikon der Lesertypen einsortieren. Irgendetwas muss sich in den letzten Tagen bei mir verändert haben. Die Wirklichkeit hat die Oberhand über die Exzesse meines literarischen Lebens gewonnen. Von hier wegzugehen ist, wie das gleißende Licht dieses wunderbaren bretonischen Himmels zu verlieren.
Im Hafen von Sauzon werden die rosa Häuser mit ihren blauen Fensterläden immer kleiner, bis sie schließlich verschwinden. Die Sonne ist warm, mein Magen mit tarte tatin gefüllt, und ich fühle, wie sich Friede in mir ausbreitet. Ich möchte etwas sagen, aber Federico bringt mich mit einem Kuss zum Schweigen. Am Hals spüre ich die sanfte Welle seines Atems. Als er antwortet, liegt kein Leid in seiner Stimme. Er zögert nicht, wie es zu erwarten gewesen wäre.
»Darf ich dich etwas Dummes fragen?«
»Was immer du willst.«
»Warum bist du zurückgekehrt?«
»Ich glaube, es hat etwas mit Schicksal zu tun, auch wenn ich nie gedacht hätte, eines zu haben.«
»Ich fasse es nicht! Ein Jahr lang hast du mir das vorenthalten! Mir! Wir sehen uns jeden Tag, wir besprechen jede lächerliche Kleinigkeit – und du verrätst mir nicht, dass du einen Liebhaber hast? Du hast...du bist...eine blöde Nuss. Genau. Eine ganz schön blöde Nuss bist du!«
»Na gut, meinetwegen, alles, was du willst. Aber ich habe keinen Liebhaber.«
Ich versuche zerknirscht zu wirken, aber irgendwie will mir das nicht gelingen. Gabriella ist ernsthaft beleidigt – immerhin ist sie meine beste Freundin (und vielleicht sogar die ideale Freundin, denn sie hat genauso viele Fehler, dass nie Konkurrenz zwischen uns aufkommt). Außer dass sie zu den Menschen gehört, an denen ich am meisten hänge, könnte sie auch als Einzige meine Biografie schreiben. Sie weiß alles über mich (na gut, zurzeit müsste man »mehr oder weniger« hinzufügen), sie kennt meine Launen, meine traurigen und meine euphorischen Phasen, sie kennt Michele, die Geburtsvorbereitungskurse und den Rhythmus der Wehen (meiner Wehen, da sie nie Kinder haben konnte – aber trotzdem hat sie mich niemals um Mattia beneidet). Unsere Freundschaft braucht keine Rückschau auf Vergangenes, was eine große Erleichterung ist. Wir hatten dieselben Lehrer und dieselben Gynäkologen. Wir haben zusammen Fehler ausgebadet und Urlaube miteinander verbracht, haben Zweifel geteilt, Tragödien durchlitten, Geburten durchgestanden, außerdem durchbüffelte Nächte, Stellenwechsel, Ehekräche und -krisen samt Versöhnungen,
unzählige Stunden Fitnesstraining und ungezählte Friseurbesuche. Wir haben Museen besucht und einen unvergesslichen Londoner Sommer lang als Verkäuferinnen gearbeitet. Ich in einem Luxusgeschäft für Lederwaren an der Knightsbridge (in der Taschen- und Tücherabteilung, wo ich jede Menge Trinkgeld kassierte), sie bei Galt Toys, einem Spielzeugladen für Eltern mit ökologischem Gewissen. Wenn wir den ganzen Tag
Weitere Kostenlose Bücher