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Und immer wieder Liebe Roman

Titel: Und immer wieder Liebe Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
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Schulter. Alles Misstrauen fällt von mir ab wie eine alte, überflüssige Hülle. Das Meer, das nun so ruhig ist wie auf einer Weltkarte, ist der perfekte dramatische Hintergrund für einen Mann und eine Frau, die sich küssen, als hätten sie jahrelang auf nichts anderes gewartet und als würden ihre Küsse nach und nach den Kurs verlieren – genauso wie die beiden Liebenden selbst: Jetzt sind sie Pilger, die auf der Insel ihrer Sehnsüchte gelandet sind.
    »Und wenn es nur ein Märchen wäre?«, murmele ich und reibe meine Nase an seiner Jacke. Wenn schüchterne Menschen verlegen sind, reden sie einfach drauflos, und zwar meist dann, wenn es am wenigsten passt.
    »Was?«, fragt er und senkt seine Augen in die meinen.
    »Die Legende. Jean und Jeanne.«
    »Ich möchte gern glauben, dass sie wahr ist. Außerdem bewahren die Menhire ohnehin ihr Geheimnis; nur wer sie hierhergebracht hat, könnte es enthüllen. Die Gallier waren es nicht, und auch
nicht die Kelten. Es waren mächtige Menschen aus dem Neolithikum, sie kamen aus Mesopotamien. Sie rodeten Bäume, gruben die Erde um und schlugen diese Steine hier aus dem Fels.«
    Ich bin bei Federico – wen kümmern da die Menhire?
    Das Schweigen zwischen uns hat nichts Peinliches. Alles ist ganz normal. Sogar unsere Küsse.
    Auf der Treppe im La Touline begegnen wir Madame Bertho. Federico öffnet die Tür zum Zimmer mit den blauen Fensterläden und schließt sie hinter uns wieder zu. Ich bohre meine Nase in seine Brust und reibe sie an dem Pullover, der von der Meeresbrise ganz feucht ist. Er hört nicht auf, mich zu küssen, während er die Ärmelbündchen meiner Bluse aufknöpft, mir den Rock auszieht, zulässt, dass meine Hände ihn ausziehen. Ich betrachte das Gesicht dieses Mannes, den ich seit tausend Jahren kenne, löse seine Gürtelschnalle, lege meine Wange an seinen Bauch. Wir spüren unsere Körper. Sie sind voller Unruhe. Und da denkt man immer, das Alter verleihe eine gewisse Überlegenheit in sexuellen Dingen! So ist es ganz und gar nicht, stelle ich fest. Nicht, was mich betrifft.
    Er riecht nach Salz, die Venen an seinem Arm pulsieren. Bleiches Licht fällt auf unsere merkwürdig sakralen Gesten. Ich sitze auf dem Bettrand, gerade so, als wollte ich die perfekt zurechtgezogenen Decken nicht zerwühlen. Federico steht zwischen meinen Beinen. Er beugt sich zu mir herunter, um sich von mir küssen zu lassen, ich umschlinge seinen Hals, strecke mich seinem Gesicht entgegen. Die weiche Haut hinter seinen Ohren, ja, an die erinnere ich mich. Und an die Höhle am Hals, die Augenlider, die schönsten Beine auf dem Platz. Die Zerbrechlichkeit zerbricht, die Scheu schwindet, die Angst wird besiegt von einer Energie, die wir nicht mehr selbst kontrollieren.
    Diesen Moment haben wir elf Monate und zweihunderteinundsiebzigtausendsechshundert
Stunden lang herbeigesehnt. Unser erstes Mal. Jetzt, in diesem Augenblick, habe ich keine Zeit, daran zu denken, aber dafür habe ich die ganze Fahrt über an nichts anderes gedacht: Federico ist ein Mann, mit dem du nie ins Bett gegangen bist, Emma.
    Kein Lächeln tritt auf unsere Lippen, alles ist verdammt ernst, nur die Zärtlichkeiten führen zu einer gewissen Entspannung, nehmen den Gemütern ihre Strenge. Die beiden Steine beginnen wieder zu atmen, weil kupplerische Feen es so wollen. Wir lieben uns ohne Hast. Es fühlt sich beinahe an, als wollten wir die Angst besänftigen, die der unschuldige Schoß des Meeres in uns hat anschwellen lassen, indem er uns ein Jahr lang voneinander getrennt hat.
    Finistère, finis-terrae: Vor uns auf dem Kontinent liegt das Ende unserer Welt. Hier auf der größten Insel des Morbihan hat unsere Suche ein Ende gefunden.
     
    Ich möchte mich ins feuchte Gras legen und in die Wolken blicken. Sie, die alles gesehen haben, könnten meinen Zustand vielleicht benennen. Es ist nicht Verzweiflung, was ich da fühle, nicht Angst und ganz sicher nicht Niedergeschlagenheit. Ich muss ein anderes Wort finden. Grenzenloses Verlangen ist übertrieben, zumal in Anbetracht dieser Bucht, wo jetzt ein Segelboot auf dem Weg in den Hafen das Wasser durchpflügt und der Strahl des Leuchtturms durch die von Gerüchen gesättigte Luft zittert. Meine Erwartungen waren falsch gewesen. Ich hatte das Unbehagen gefürchtet, neben einem Fremden zu erwachen, hatte Angst gehabt, mit einem inneren Taxameter herumzulaufen, der mich stets daran erinnern würde, dass uns nur fünf Tage bleiben. Aber Federico ist kein

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