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Und immer wieder Liebe Roman

Titel: Und immer wieder Liebe Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
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glauben.«
    Wem sollen die sympathisch sein?, denke ich entsetzt. Il bacio d’una morta ist eine Anthologie der menschlichen Leidenschaften, ein Potpourri aus Nekrophilie und zuckersüßer Zärtlichkeit, ein Wirrwarr von »heißen« Begegnungen und Verwicklungen.
    »Wir rufen Signora Donati an und informieren sie, dass ihre Liala Asyl gefunden hat.«
    »Lass uns lieber über Sex nachdenken.«
    »Wie meinst du das?«
    Alice zieht ihren Hocker her und lässt sich direkt vor mir nieder. Ihre blau getuschten Wimpern klappern wie bedrohliche Fächer. Mit diesem Thema plagt sie sich also schon seit längerem herum. Jetzt hat sie sich aber einen Moment ausgesucht, in dem ich überhaupt keine Lust zu reden habe.
    »Es gibt Leute, die sagen, dass die Buchhandlung zu weiblich ist. Und zu sexistisch.«
    »Na ja, weiblich ist nicht gerade eine Beleidigung. Es ist doch allgemein bekannt, dass Frauen mehr lesen als Männer. Wo ist das Problem?«
    »Wir müssen der erotischen Literatur mehr Raum geben.«
    »Richtig.«
    »Wie jetzt?«
    Alice hat zu viel Anlauf genommen – jetzt zögert sie. Sie hatte vielleicht Angst, verschüttete Erinnerungen in mir zu wecken, und ich habe sie aus dem Konzept gebracht.
    »Was da gerade an erotischer Literatur auf dem Markt ist, ist todlangweilig und miserabel geschrieben, Alice. Über Sex zu schreiben, ist auch für gute Schriftsteller eine komplizierte Angelegenheit. Lass uns die Aufgabe aufteilen: Ich kümmere mich
um die Klassiker, du dich um Almudene Grandes und Konsorten. Das sind kümmerliche Texte, deren pornographischen Jargon ich gerne dir überlasse. Männer sind bei weitem besser darin, rhythmische Bewegungen zu beschreiben, weil sie ein schlichtes Gemüt haben.«
    Alice lässt sich ihre Verblüffung über meine Nachgiebigkeit nicht anmerken und macht sich sofort daran, im Internet skurrile Zitate zusammenzusuchen.
    Ich für meinen Teil versuche, die Handlung von Gefährliche Liebschaften von Choderlos de Laclos zu rekonstruieren. Ich habe das Buch seit meiner Schulzeit nicht mehr gelesen. Damals jedoch haben mich die Gefährlichen Liebschaften sehr beschäftigt. Aus purer Bosheit und weil ich meine Französischlehrerin brüskieren wollte, eine fette, frustrierte Junggesellin, die uns nicht einmal Die Prinzessin von Clèves lesen lassen wollte, schrieb ich einen Aufsatz über den Roman, in dem ich bewies, dass die Liebe auch die zynischsten Menschen infiziert. Und Katastrophen anrichtet.
    Ich reiße mich schnell von meinen Gedanken los. »Gut, lass uns mit dem Schaufenster anfangen«, schlage ich vor und mache mich gleich ans Werk.
    Mitten ins Schaufenster stelle ich ein Exemplar der Gefährlichen Liebschaften in Originalsprache, daneben eine soeben erst erschienene italienische Taschenbuchausgabe, während mich die übliche aufdringliche Stimme in meinem Innern daran erinnert, wie gefährlich es sein kann, Briefe im Haus herumliegen zu lassen. Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als Gabriella von einem nervös trippelnden Mondo ins Geschäft gezogen wird. Der Riesenwelpe rutscht wie ein großer Hase auf mich zu und schlägt seine Zähne in das karminrote Deckblatt von Casanovas Heimfahrt von Arthur Schnitzler.
    »Was ist denn mit dem los?«, frage ich perplex.

    »Vergiss es, er ist hochgradig aufgeregt – rennt mir entgegen, knurrt mich dann aber an. Und fressen will er partout nichts. Er geht zu seiner Schüssel, schaut rein, seufzt und trabt dann wieder davon. Das geht schon eine ganze Weile so, seit er sich in das Dackelmädchen vom Nachbarn verknallt hat, Smirne. Er schnüffelt an ihr herum und merkt gar nicht, dass er sie in einem Haps verschlingen könnte. Dieser Hund hat keinen Sinn für Proportionen. Ich lasse ihn dir ein paar Stunden da, falls er dich nicht stört.«
    Ich schüttele den Kopf und wende mich an den Hund. »Komm zu Tante Emma, Mondo. Wenn hier eine Hündin reinkommt, werde ich dich ganz bestimmt nicht maßregeln.« Das ist das Schicksal von uns ungleichen Paaren. Gabriella begreift nicht, dass der Blitz, wenn er einschlägt, nicht zwischen Rassen unterscheidet. Und auch nicht zwischen Körpergrößen.
    »Ich habe dir den neuen McEwan beiseitegelegt, den, den du vor ein paar Monaten im Zug vergessen hast«, sage ich beiläufig. »Du vernachlässigst deinen Autor. Abbitte ist ein prima Titel für jemanden wie dich, der immer etwas zu beichten hat. Ich kümmere mich schon um das arme Tierchen.«
    »Du hast recht. Ich betrüge ihn gerade mit Kunstbüchern,

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