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Und immer wieder Liebe Roman

Titel: Und immer wieder Liebe Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
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in welcher Pflanze ich mich gerne wiederfinden würde. Du wärst auf jeden Fall eine Tulpe. Gelb. Unsere Distanz zu Cicero ist auf alle Fälle gigantisch, und ich weiß nicht, ob und inwiefern er sich verändert hätte, wenn er mit fünfzig, oder vielmehr einundfünfzig, seiner Jugendliebe wiederbegegnet wäre. In diesem Alter war man damals schon ziemlich klapprig – ganz im Gegensatz zu uns. Omas und Opas schlagen sich wacker heutzutage, vorausgesetzt, sie haben Stil und Witz, gehen ins Sportstudio und halten sich auf dem Laufenden. Wir beide sind potenzielle Omas und Opas, stellen wir uns darauf ein.
    Du fehlst mir auch. Ich ignoriere das aber.
    Emma
     
    P.S. Lange nichts mehr von Herrn Morgan gehört.
     
     
    Michele ist Journalist. Er ist ein liebevoller und engagierter Vater, hat damals kiloweise Windeln gewechselt und Mattia Lieder, Sprichwörter, Zauberkunststücke und Streichholztricks beigebracht – die wenigen sinnvollen Benimmregeln nicht zu vergessen.
Er war auch nicht der schlechteste aller Ehemänner. Ich habe ihn leidenschaftlich und hoffnungslos geliebt, aber er hatte einen Fehler, über den ich nicht hinwegsehen konnte: Er fühlte sich unwiderstehlich zu Frauen hingezogen. Nicht zu allen, aber zu vielen. Als ich merkte, wie wütend es mich machte, nicht zu dieser Gruppe zu gehören, habe ich das Türschloss ausgetauscht, worauf er allen Ernstes beleidigt war. An Mattias viertem Geburtstag war seine Zeit dann endgültig abgelaufen: Ich hatte eine Torte mit Geburtstagskerzen gebacken und Mattias kleine Freunde samt ihren Müttern eingeladen. Als ich den für meinen Geschmack allzu komplizenhaften Blickwechsel zwischen der wasserstoffblonden Erzeugerin der kleinen Savannah (schon der Name hätte mich misstrauisch machen müssen) und meinem schönen Ehemann wahrnahm, wurde mir blitzartig klar, weshalb er Mattia immer so bereitwillig in den Kindergarten brachte. Nach dieser Entdeckung dauerte unsere Ehe gerade noch lange genug, um unserem Sohn zu erklären, dass wir dicke Freunde seien, so wie er und die blonde Patrizia aus der anderen Gruppe, und dass wir ihn immer liebhaben würden. Ich weiß nicht, ob wir ihm den Unterschied zwischen Liebe und Freundschaft wirklich gut erklärt haben, aber das Versprechen, dass sich für ihn nichts ändern wird, haben wir gehalten. Auch nach unserer Scheidung haben wir jede Entscheidung, die unseren Sohn angeht, gemeinsam getroffen und teilen uns die verschiedenen Aufgaben fair. Mattias Liebesprobleme fallen in meinen Zuständigkeitsbereich. Sie erfordern zwar lange Gespräche unter vier Augen, aber ich bevorzuge sie entschieden gegenüber anderen – für meinen Geschmack todlangweiligen – Themen wie Sport, Mofamarken, Urlaubsziele, Geld und Politik. Wichtige Entscheidungen stimmen Michele und ich grundsätzlich immer ab.
    Das Ritual ist jedes Mal dasselbe: Brötchen mit Huhn und
Thunfisch, Bier und Coca-Cola; die Eltern sitzen auf dem sahneweißen Sofa; Mattia lümmelt auf dem gelben herum. Das Thema auf der Tagesordnung heute ist so vage wie wichtig: Mattias Zukunft. Es sind nur noch wenige Wochen bis zur Abschlussprüfung, und er hängt in drei Fächern hinterher (was im Klartext so viel bedeutet wie »ungenügend«). Er ist der festen Überzeugung, dass er schon durchkommen wird, wenn er sich nur ein paar Nächte lang hinsetzt, mikroskopisch kleine Zettelchen mit mathematischen Formeln und anderem Fachwissen vollkritzelt und sie dann zusammengerollt im Ärmelbündchen platziert. Biologie, Chemie und Mathematik. Scheißfächer, behauptet er. Meilensteine, denke ich. Er stellt nervtötende Rechenexempel an und schafft es auf wundersame Weise, irgendwo zwischen dem Notenschnitt, den wir uns wünschen, und dem, den er gerade noch so zu erreichen glaubt, herauszukommen. Zu unseren Zeiten war das Abitur ein Alptraum, weil man in jedem Fach zu jedem Stoff ausgequetscht werden konnte. Allerdings blieben uns die supermarkttauglichen Dezimalzahlen erspart, mit denen die Schülerleistungen heute bewertet werden; und die Zulassung zur Prüfung bestand in einem Adjektiv, nicht in einer Zahl: »ausreichend«, »gut«, »befriedigend«, »sehr gut«. Michele und ich reden wie ein A-cappella-Chor, auch wenn Michele weniger emotional ist, nie die Geduld verliert und mit sturer Gelassenheit beim Thema bleibt. Mattia vertilgt bereits das dritte Brötchen und schaut uns an – mit dem klassischen Ausdruck äußerster Zerknirschung. Er hat ein schlechtes Gewissen wegen dieser

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