Und immer wieder Liebe Roman
so elegant sei, antwortete sie: »Dass ich Buchhändlerin bin, bedeutet nicht, dass ich mich auch wie eine Buchhändlerin kleiden muss.« Diese brillante Antwort lege ich Dir ans Herz.
Ah, wenn Du nur Deiner Alice sagen könntest, dass Du großartig bist im Bett.
Ein Kuss,
Dein stolzer Federico
P.S. Ich nehme die Antworten auf Deine Fragen vorweg: Belle hat nicht geheiratet. Sie hatte vielmehr etliche Freunde, darunter auch einen ganz speziellen – eine gebildete und berühmte Person. Er war verheiratet. Ihre Geschichte war kein Abenteuer für eine Nacht. Sie hat Jahrzehnte gedauert.
Alice stellt einen Terrakottazwerg mit angeschlagener Kapuze auf den Treppenabsatz. Er sieht aus wie eine Mischung aus Brummbär und Schlafmütze. Ich verstehe nicht ganz, wie sich dieses Ding mit dem Stil der Buchhandlung vertragen soll, aber ich sage besser nichts dazu. Meine Assistentin ist immer noch reizbar, das sehe ich schon daran, wie sie geht: stocksteif und erhobenen Hauptes, als wollte sie der Welt klarmachen, dass sie es auch alleine schafft. Ich habe ihr Gehalt erhöht, aber Geld stopft nicht die Leere, die das intellektuelle Versagen eines Freundes hinterlässt. Manchmal versuche ich es auf die mütterliche Tour und gebe mich verständnisvoll. Was ich ihr raten soll, weiß ich allerdings auch nicht so genau. In ihrem Alter hatte ich schon einen Sohn und eine Menge Ärger, aber zu meinen Zeiten waren Verlobte ja auch nicht so rar gesät. Man suchte sie sich auf Festen, an der Uni, und einmal hat mich sogar ein Typ in der Straßenbahn angequatscht, weil er – wie er sagte – »vom Sternenglanz meiner Augen überwältigt« war. Nach einem kurzen Flirt, der sich auf dem Weg von der Haltestelle zu seinem Haus totgelaufen hat, haben wir Freundschaft geschlossen. Aber was ist mit den modernen jungen Frauen? Sind diese akademisch ausgebildeten, emanzipierten und ökonomisch unabhängigen Dreißigjährigen zu einer Existenz als alte Jungfern verdammt? Nein, halt, sie nennen sich selbst ja Singles. Das klingt weniger abwertend, obwohl es letztlich dasselbe ist.
Vor dem Laden steht ein Typ mit einem finsteren Gesicht, das aus einer Masse dunkler Locken hervorschaut. Er trägt ein blaues Hemd und eine Krawatte mit beige- und bordeauxfarbenen Querstreifen. Während er die Bücher betrachtet, bewegt er die Lippen, tritt einen Schritt zurück, schweigt und scheint einer geheimnisvollen Stimme zu lauschen, dann bewegt er wieder wie ein Stummfilmstar die Lippen. Jetzt gestikuliert er, scheint nervös zu werden, zieht Grimassen wie ein Makake in seinem Käfig, wedelt mit einem Blatt herum und liest den Text darauf. Vielleicht sucht er einen Titel, vielleicht ist er auch nur unsicher, möglicherweise muss er ein Geschenk kaufen und geht noch einmal in sich, ob er nicht selbst eine Idee hat.
»Schätzchen, schau mal, der Herr da. Er spricht mit sich selbst.«
»Nein, Emma, er telefoniert.«
»Aber er hat doch kein Handy, Alice. Das muss ein Verrückter sein. Verrückte reden mit sich selbst, sie brauchen niemanden, der ihnen zuhört.«
»Er spricht in ein Mikrofon, und die Antworten hört er über einen Ohrstöpsel. Schau genau hin, er hat ihn im Ohr. Das ist superpraktisch, beim Autofahren benutze ich das auch.«
So, wie sie mir das erklärt, ist diese Form der Konversation für Alice ganz normal. Sie tut so, als wäre es nicht schlimm, dass ich von vielen technischen Innovationen noch nie gehört habe, aber in Wirklichkeit denkt sie – wie Mattia -, dass ich vollkommen out bin. Buchstäblich: draußen. Ich bin ausgeschlossen und bleibe an Federicos unersetzlicher grüner Tinte kleben. Seine Stimme fehlt mir nicht, auch wenn ich ihr wie durch einen merkwürdigen Zauber seit einigen Monaten überall begegne. Alle Romane sprechen plötzlich von uns. Ich muss nur ein x-beliebiges Buch in die Hand nehmen, irgendeine Seite aufschlagen, und schon tritt
mir Federico entgegen – in Gestalt der Hauptfigur, eines Mitbewohners, einer wichtigen Nebenfigur oder eines Passanten, dem der Autor nur wenige Zeilen widmet. Und das reicht, um seinen Körper, seine Stimme, einen um eine Haarsträhne gewickelten Finger lebendig werden zu lassen. Was wäre das nur für eine Welt ohne Romane?
Um mich von den Tücken abzulenken, die zwischen Papier, Herzschmerz und Tintenspuren lauern, reagiere ich meine Frustration mit erhöhter Geschäftigkeit ab. Das hilft besser gegen Trübsinn als Pilates. Heute habe ich noch einen weiteren Grund,
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