Und immer wieder Liebe Roman
Architekten von BBB übertragen, und so bin ich also mit den Jungs aus dem Büro hingegangen. Am Vormittag hatte ich eine Verabredung in der Morgan Library und habe die Gelegenheit genutzt, um noch einmal durch J.P.M.s Räume zu laufen. Einen hatte ich noch nicht gesehen, den mittleren nämlich. Er ist etwa zwanzig Quadratmeter groß, dunkel, streng, ein wenig geschmacklos eingerichtet und vollgestopft mit Krimskrams: Kandelaber, Bronzestatuen, eine Fotografie von Baron Adolf de Mayer, einem der berühmtesten Gesellschaftsfotografen des zwanzigsten Jahrhunderts. (Dieses gebildete Detail stammt nicht von mir. Frank hat mich aufgeklärt.) Von Frank habe ich auch Geschichten über J.P.M gehört. Die wichtigsten versuche ich, für Dich zusammenzufassen. Lass mich mit derjenigen über J. P. M. und Belle da Costa Green beginnen, die mich so sehr an Dich erinnert: Sie war eine kleine, zarte Frau mit kurzem Haar und olivgrüner Haut, deren Schönheit nur vom Glanz ihrer wunderschönen Augen überstrahlt wurde. Sie war in Bücher
verliebt, wie Du. Aber der Reihe nach. Die fehlende Ordnung und Katalogisierung seiner Kunstsammlung wurde zunehmend zu einem Problem für den Alten. Sein Neffe Junius empfahl ihm, sich deshalb an Belle da Costa Green zu wenden, eine Angestellte der Universitätsbibliothek von Princeton. Morgan bat sie daraufhin zu einem Gespräch in sein Büro. Die Details dieser Unterredung werden wir nie erfahren, aber auf alle Fälle wurde das geheimnisvolle Fräulein schließlich angestellt und übernahm im Januar 1906 für ein Monatsgehalt von 75 Dollar den Posten der Bibliothekarin in der Morgan Library. Der Alte fragte nicht nach Referenzen und bestätigte damit wieder einmal den Leistungsgedanken, der ihm so wichtig war. In einem der wenigen Interviews, die ich in meiner Morgan-Biografle gefunden habe, sagt J. P. M. über Belle da Costa Green, sie habe »schon mit fünfzehn gewusst, dass sie mit seltenen Büchern zu tun haben wolle. Schon damals empfand sie das erstaunliche Vergnügen, sie zu berühren, und eine starke Begeisterung für ihr so besonderes Wesen«, sagte er wörtlich in dem Interview.
Das weitsichtige Fräulein, hat Frank mir erzählt, entpuppte sich allerdings als notorische Lügnerin, und jede Information, die über sie im Umlauf war, erwies sich als... falsch. Man sagt, dass sie ihr Geburtsdatum wie eine Zimmerpflanze verrückt habe, aber so kurz nach dem Bürgerkrieg hatte sie vermutlich noch andere gute Gründe als Eitelkeit, um einige Daten aus ihrem Leben zu verschleiern. Ihr wahrer Name war Belle Marion Greener, und in Wirklichkeit war sie die Tochter von Richard Theodor Greener, einem Anwalt, Akademiker und republikanischem Aktivisten. Er war übrigens der erste Schwarze, der in Harvard seinen Abschluss gemacht hat. Als sich das Ehepaar Greener trennte, legten Mrs. Greener und die Kinder das zweite »r« im Nachnamen ab und erfanden die Herkunftsbezeichnung »da Costa«, um eine Erklärung
für ihren dunklen Typ in petto zu haben. Im Verlauf ihres Vorstellungsgespräches erklärte Belle dem alten Morgan, dass sie ihren Rufnamen und ihr exotisches Aussehen ihrer Großmutter mütterlicherseits verdanke, dass ihre Eltern sich getrennt hätten, als sie noch ein Kind war, und dass ihre Mutter, die in Richmond, Virginia, geboren sei, mit ihren Kindern nach Princeton, New Jersey, gezogen sei, wo sie Musikstunden gegeben habe.
Genial erdacht. Aber falsch. Belles Geburtsurkunde weist sie eindeutig als Tochter von Genevieve und Richard Theodore aus. Geburtsort: Washington D.C., 26. November 1879. Besondere Kennzeichen: schwarz. Es ist unmöglich, nicht an Dich zu denken, kleine Emma, wenn ich durch das Büro derjenigen Frau gehe, die dreiundvierzig Jahre lang Direktorin der Morgan Library war. In dieser Zeit fehlte es ihr an nichts. Wenn der Hausherr sie auf der Jagd nach Meisterwerken nach Europa schickte, residierte sie im Ritz in Paris und im Claridge’s in London. Sie nahm ihr Pferd mit, um im Hyde Park reiten zu können, und gab wie ein Hofbibliothekar Millionen von Dollar für wertvolle Manuskripte, Bücher und Kunstwerke aus. Mit der Zeit war sie dem alten Morgan unverzichtbar geworden, und er vertraute ihr blind. Sie war sinnlich und intelligent, bezauberte Männer und Frauen, liebte Perlen, wickelte sich Tücher um den Kopf wie einen Turban, trug Hüte mit großen Federn oder kleidete sich wie ein Mann – je nach Lust und Laune. Als ein Journalist sie einmal fragte, warum sie immer
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