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Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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sich über sie und grinste. Dann kniff er ihr in die Taille, fing an sie zu kitzeln und ließ nicht mehr locker. Anna prustete Rotwein auf die weiße Tischdecke.
    „Lass los! Bitte, ich kann nicht mehr.“
    Funken schossen zwischen ihnen hin und her, als sie sich in die Augen sahen. Sie seufzte, schließlich stand sie auf und streute Salz über die Rotweinflecken.
    „Jedenfalls scheint mit deinem Bein wieder alles im Lot zu sein.“
    „Kann man sagen, so gut wie im Moment habe ich noch nie gespielt. Wird auch Zeit, denn uns fehlen nur noch zwei Punkte zum Tabellenersten. In den letzten Wochen verstehen sich die Jungs endlich auch wieder untereinander. Spielerisch ist alles erste Sahne.“
    Er stockte, und Anna sah ihn nachdenklich an.
    „Aber?“
    „Es hat mit dem Neubau unseres Stadions zu tun. Scheint so, als wäre bei der Bauvergabe gemauschelt worden, denn der Generalunternehmer, der den Auftrag bekommen hat, ist ein förderndes Mitglied unseres Vereins. Stellt sich allerdings die Frage, ob er wirklich der Beste dafür war oder ob er nur an den Auftrag gekommen ist, weil er den Vorstand bestochen hat.“
    „Eine Vermutung, die schwer zu beweisen sein wird.“
    „Trotzdem, Anna, sieh dir das Stadion einmal genau an. Es sollte schon seit Wochen fertig sein, aber wir spielen bis heute auf einer riesigen Baustelle. Das Einzige, was tatsächlich hervorragend läuft, ist der Dauerkartenvorverkauf für die kommende Saison. Mir scheint, als ob einige Leute mit der Tatsache, dass wir jetzt wieder international spielen, das schnelle Geld machen wollen.“
    „Das ist doch nicht verboten, oder?“
    „Was ist nicht verboten?“
    Tom musste schon eine Weile in der Tür gestanden und sie beobachtet haben. Er ging zum CD-Spieler und tauschte die sanfte, lateinamerikanische Musik gegen eine Scheibe von den Stones aus. Mick Jagger, viel zu laut. Nun setzte er sich und schenkte nach. Die Gläser viel zu voll. Hatte er die Blicke gesehen, die zwischen Jan und ihr hin- und hergegangen waren?
    Die Unterhaltung geriet ins Stocken und kam auch für den Rest des Abends nicht mehr richtig in Gang. Um die Spannung zu überdecken, begann Tom von seinen neuen Projekten in der Druckerei zu erzählen. Merkte er gar nicht, wie überflüssig das war? Immer drehte sich alles um ihn und seine Angelegenheiten. Überhaupt, wann hatte sich Tom zuletzt wirklich für sie interessiert? Anna hatte eigentlich vorgehabt, Jan etwas über ihren Chef, Martin Kuhn, auszufragen. Zu gern hätte sie mit ihm über diesen Mann gelästert. Jetzt würde sie damit bis zum nächsten Mal warten müssen, heute würde gar nichts mehr stattfinden. Jan Greve stürzte den Rotwein herunter, dann sah er auf die Uhr.
    „So, ihr Lieben, es ist spät geworden.“
    Er nahm Anna in den Arm, „es war sehr schön bei euch, vielen Dank auch für das leckere Essen.“
    Während sie Jan küsste, sah sie Tom an. Als sie allein waren, stellte sie ihn zur Rede.
    „Warum fällt es dir so schwer, anderen auch mal zuzuhören? Warum musst du immer im Mittelpunkt stehen?“
    „Ich gehe jetzt schlafen, lass es doch einfach mal gut sein für heute.“
    Tom verschwand nach oben. Anna stand vor dem Spülbecken und schrubbte die eingetrockneten Ränder der Auflaufform ab. Während das schmutzige Wasser durch den Ausguss gurgelte, wischte sie sich den Schweiß von der Stirn. Ihr Gesicht glühte. Wären ihre Gefühle doch nur auch so leicht zu ordnen gewesen wie die Küche nach einem opulenten Essen. Die Stille im abendlichen Haus legte sich schwer auf sie, an Schlaf war nicht zu denken. Sie musste jetzt unbedingt eine menschliche Stimme hören. Die Stimme von Paula. Anna zündete sich eine Zigarette an, danach wählte sie die Nummer ihrer Freundin.
    Müde stellte Walter Reimers seine Plastiktüten auf den Betonpfeiler, der als Begrenzung für einen Fahrradständer diente. Sie saßen auf der Rückseite des Hamburger Hauptbahnhofs am Ausgang Kirchenallee.
    „Ich hab dir gleich gesagt, Olli, ohne Esther ist es aussichtslos. Die Herren Richter hören so einem wie mir gar nicht zu. Ich bin eben kein feiner Pinkel, und ’ne Verkleidung war auch nicht zu bekommen.“
    Walter Reimers sah an sich hinunter. Er trug einen abgetragenen, dunkelbraunen Anzug aus dickem Wollstoff, aus den Jackenärmeln kamen seine rot geäderten Hände zum Vorschein. Seine Fingernägel waren zu lang und nikotingefärbt.
    Olaf Maas klopfte ihm auf den Rücken und roch dabei den alkoholgeschwängerten Atem des

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