Und Jimmy ging zum Regenbogen
in der Niederschrift hier. Und auch nichts über Frau Steinfelds Verzweiflung, als ich ihr von der Blutgruppenbestimmung erzählt habe.«
»Ganz klar.«
»Es ist mir wieder eingefallen, als ich mein Diktat von damals gelesen habe. Das ist immer so. Ein Anhaltspunkt – und alles kommt wieder.«
Manuel sagte: »Aber wie der Prozeß ausging, das wissen Sie nicht, Doktor?«
»Nein. Ich kam noch ins KZ «, sagte Forster. »Nach dem zwanzigsten Juli 44 flog mein Freund Peter Klever auf, wurde verhaftet und hingerichtet. Verhaftet wurden auch alle seine Freunde … ich drei Wochen später.«
»Aber weshalb?
»Das war damals so. Einen genauen Grund habe ich nie erfahren … Die Nazis bezogen sich einfach auf die alten Prozesse vor 38. Ich landete in Mauthausen.« Der Anwalt fuhr sich über die gräßlich zerfleischte, vernarbte und entstellte Gesichtshälfte und die Stelle, an der einmal sein rechtes Ohr gewesen war. »In Mauthausen passierte dann auch das. Ein bedauerlicher Unfall.«
»Unfall?«
Forster lachte bitter.
»Stellen Sie sich vor! Ein Wachhund drehte eines Abends durch, riß sich von seinem Führer los und stürzte sich auf mich. Der Posten versuchte noch, das Vieh zurückzureißen. Es gelang ihm nicht. Sie sehen ja … Im letzten Moment erschoß der SS -Mann den Hund. Wirklich im letzten Moment. Sonst würde ich nicht mehr leben. Danach entschuldigte der SS -Mann sich bei mir.«
»Er …«
»Tatsächlich! ›Tut mir leid, du Arschloch. Dabei hast du doch im Moment gar nichts angestellt‹, sagte er. Es war das letzte, was ich hörte, bevor ich das Bewußtsein verlor.« Forster hob die Achseln. »Jung und ziemlich blöde, der Posten. Was wollen Sie? Nicht einmal die SS hatte mehr das gute Personal von 1938. Es ging mir sehr dreckig damals. Ich war mehr tot als lebendig, als wir endlich befreit wurden.«
»Und Sie wissen auch nicht, was aus dem Sohn, was aus dem Vater wurde?«
»Nein, leider. Ich lag lange in einem Spital. Dann mußte ich sehr viel und sehr schwer arbeiten, um die Kanzlei wieder in Gang zu bringen und meine Familie zu versorgen. Wir waren bettelarm, als der Krieg zu Ende war. Im Haus hier wohnten fremde Menschen. Ehrlich: Ich dachte gar nicht mehr an Frau Steinfeld. Es tut mir leid, Herr Aranda«, sagte der alte Mann. »Wir – wir alle – vergessen eben zu leicht und leben nur unser eigenes Leben, und unsere Mitmenschen sind nicht unsere Brüder und Schwestern, wie sie es sein sollten …«
›Yeah! Yeah! Yeah!‹ erklangen die Stimmen der Beatles ein Stockwerk tiefer.
29
Yvonne nahm eine dünne, vergoldete Stecknadel aus Stahl mit breitem Kopf aus dem roten Samtkästchen und bohrte sie vorsichtig durch die schrumpelige Haut des Hodensackes, indem sie mit einem kleinen, gleichfalls vergoldeten Hämmerchen sanft auf die Nadelkuppe schlug. Es war schon die zweite Nadel. Der massige, nackte Mann auf der Streckbank der Folterkammer in Nora Hills Villa stöhnte auf.
»Oh! Oh! Oh! Die Schmerzen! Aber ich verrate nichts, keinen einzigen Kameraden!« Und mit normaler Stimme: »Weiter. Mach weiter!«
Yvonne trug ein durchsichtiges blaues Spitzentrikot, einen breiten, spitzen Strohhut und Sandalen. Ihre Augen hatte sie asiatisch schräg geschminkt. Yvonnes Klient trug Socken und Schuhe. Sie schlug gehorsam weiter. Die Nadel hatte die Haut durchstoßen und drang nun in ein mit rotem Samt bespanntes Brettchen ein, das unter dem Hodensack lag. Der Mann – Herr Direktor Pfitzner, so war er Yvonne vorgestellt worden – stöhnte wieder. Er spreizte die Beine noch weiter, sein Atem begann zu fliegen.
»Martere mich! Quäle mich! Aus mir bekommst du kein Wort heraus!« Und wieder normal: »Die nächste Nadel,
schnell!
«
Yvonne ergriff mechanisch die dritte Nadel. Sie war an diesem Samstagabend müde nach zwei Nächten Dienst, und sie ärgerte sich darüber, daß stets sie von Gästen wie diesem mit Sicherheit unter allen Mädchen ausgesucht wurde. Warum nicht einmal Coco oder Christine oder Isabell? dachte sie. Warum immer ich? Gut, ich werde am besten von allen bezahlt. Aber was zieht diese Kerle bloß so an? Immer ich, immer ich. Sie trieb die dritte Nadel durch die Haut in das Brettchen. Herr Direktor Pfitzner jaulte auf. Er hatte nun bereits eine stattliche Erektion.
»Ich bin kein Verräter, du verfluchte blaue Mao-Ameise!« schrie Pfitzner. Und flüsterte: »So herrlich war es noch nie!« Er hielt sich an den Lederschlaufen des Streckbettes fest. Seine Augen rollten, die
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