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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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auch gleich nicht leiden konnte. Schon einmal eine sehr vorbelastete Ausgangsposition. Deine Eltern sind beide lange tot, also kannst du es ruhig beschwören. Was schaust du mich so an?«
    Sie hatte ihn tatsächlich angeschaut, voll grenzenlosem Staunen darüber, wie dieser Hypochonder, dieser Angsthase sich veränderte, mehr und mehr.
    »Weil du das so gut machst. Wirklich, prima, Martin!«
    »Na ja, immerhin …« (ganz konnte er es doch nicht vergessen, dieses Wort) »… immerhin, das ist gar nicht so einfach. Auf den richtigen Ton kommt es an! Schreib weiter. Bald schon mußte ich erkennen … hm, hm … erkennen, wie recht meine guten … nein, streich das ›guten‹! … wie recht meine Eltern gehabt hatten, als sie meine Ehe mit Paul Steinfeld verhindern wollten.«
    »… verhindern wollten.«
    »… mit den Millionen Unterdrückter, die auf ihre Stunde warten …«
    »Trotzdem … jetzt paß auf, Valerie, Schatz.« ›Schatz‹ – er hatte ›Schatz‹ gesagt! Noch nie hatte er so etwas gewagt, noch
nie!
»Paß auf, wie ich das jetzt drehe. Psychologie. Ist doch die Grundlage von dem ganzen Prozeß. Wir müssen klar psychologisch denken. Du warst mit Paul unglücklich und hast ihn dann mit mir betrogen. Aber
er,
er muß dich geliebt haben! Sonst hätte er dich doch gar nicht geheiratet! Sonst wäre er später auch nicht mißtrauisch und eifersüchtig geworden auf mich – habe ich recht?«
    »Völlig, Martin.«
    »Also dann, bitte: Obwohl Paul Steinfeld mich liebte, war ich unglücklich, weil er mein Wesen und ich das seine nicht verstand … Da haben die Brüder genau den Quatsch, den sie wollen!« Martin Landau strahlte Valerie an wie ein seliges Kind. Er hatte die Daumen in die Westenausschnitte gesteckt. »Hm … Paul hat dich doch Anfang 1924 nach Dresden fahren lassen, nicht?«
    »Ja. Zum Kokoschka. Der war da Professor an der Akademie, und ich habe unbedingt wenigstens eine Weile lang bei ihm Unterricht nehmen wollen. Ich war doch so verrückt mit Malerei. Ich habe an der Volkshochschule noch Kunstgeschichte gehört, bis ich schwanger geworden bin. Gott, war das rührend vom Paul damals! Nur weil du doch so furchtbar gern den Kokoschka erleben willst, lasse ich dich fahren, hat er gesagt. Aber nicht lange. Höchstens einen Monat. Länger halte ich es nicht aus ohne dich!«
    »Genau daran denke ich. Schreib, Schatz: Bereits im April 1924 trennte ich mich nach einer Reihe schwerer Zerwürfnisse von Steinfeld und fuhr nach Dresden, wo ich wegen meines großen Interesses für Kunstgeschichte Unterricht bei Oskar Kokoschka nehmen wollte. Verflucht.«
    »Was ist?«
    Er sagte zornig: »Kokoschka ist doch verboten. Entartete Kunst. Das geht nicht. Wer war denn damals noch in Dresden an der Akademie? Laß mich nachdenken … Flechner! Großartig! Heinrich Flechner! So ein richtiger naturalistischer Scheißkerl!« Valerie zuckte zusammen. Das Wort hatte sie noch niemals von Martin Landau gehört. Langsam wurde der Mann ihr unheimlich. »Der ist dann bei den Nazis ein ganz großes Tier geworden, einer von den Lieblingsmalern des Führers! Und zum Glück ist er 1940 verreckt. Zum
Flechner
wolltest du natürlich! Streich den Kokoschka. Unterricht bei Heinrich … nein, bei
Professor
Heinrich Flechner nehmen wollte.« Landau öffnete die Flasche, goß einen weiteren Schuß Weinbrandverschnitt in seine Tasse, trank und diktierte, wobei er mit einem Finger den Takt schlug: »Aber schon nach kurzer Zeit kam Paul Steinfeld mir nachgereist und bettelte und beschwor mich, zu ihm zurückzukehren … Jetzt machen wir wieder was Schönes, Schatz: Ich hatte nicht die Kraft, mich ihm zu widersetzen, und ich hatte nicht den Mut zu einer Scheidung nach so kurzer Zeit. Ich war erst zwanzig Jahre alt und völlig hilflos. Zu meinen Eltern zurückzukehren, schämte ich mich, denn ich hatte sie im Bösen verlassen … Gut, wie? Du hast dich geschämt, ein so junges Mädchen noch, das gegen den Willen seiner wohlmeinenden Eltern … begreift jeder! Deine Ehe war von Anfang an ein Martyrium, das du tapfer ertragen hast – auch ein bißchen aus Hilflosigkeit und Dummheit, ja,
arische
Dummheit, nicht diese widerliche jüdische Chuzpe, die hast du eben nicht! Schreib: Paul Steinfeld war ein außerordentlich dominierender – nein, um Gottes willen, ein Jude und dominierend! Streichen! – ein außerordentlich
geschickter
Mann, wenn es darum ging, sich andere Menschen gefügig zu machen.«
    … mit den Heeren der

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