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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Arbeiter, die aus freiem Willen ihre Waffen schmieden in der Alten und der Neuen Welt …
    Landau goß seine Tasse halb voll Tee, halb voll Weinbrandverschnitt und warf angeekelt ein Stückchen Süßstoff in die Mischung.
    »Wenn ich einen sitzen habe – ich vertrage doch überhaupt nichts –, kommen mir die besten Ideen«, erklärte er dazu. »Jetzt wird es nämlich kitzlig.«
    »Jetzt kommst du«, sagte Valerie.
    »Eben. Also, schreiben wir mal: Ich kehrte nach Wien zurück und nahm die eheliche Gemeinschaft wieder auf. Eine Zeit der Ruhe folgte. Das hatte – so drehen wir das! – zwei Gründe: Erstens war Paul Steinfeld sehr häufig und lange von Wien abwesend und auf Reisen. Zweitens lebte in den langen Zeiträumen meines Alleinseins wieder die Freundschaft zu einem Mann auf, den ich schon vor Paul Steinfeld, in den Räumen der Wiener Albertina, kennengelernt hatte. Es handelte sich um Martin Landau, geboren am 12. November 1903 in Wien, in dessen Buchhandlung ich heute angestellt bin …«
    Valerie war plötzlich in Fahrt geraten, sie stenographierte und redete dabei: »Wir kamen über die Handzeichnungen Rembrandts ins Gespräch und begegneten uns häufig in den Ausstellungsräumen wieder. Diese Bekanntschaft, die zunächst nur ein Austausch rein geistiger und künstlerischer Interessen war, gestaltete sich bald zu einer echten Freundschaft …«
    »Moment! Freundschaft, die in den Hintergrund trat, als ich Paul Steinfeld kennenlernte und mich in ihn verliebte … Jetzt kippen wir die Sache wieder um! … In der Zeit, in der ich nach meiner erzwungenen Versöhnung mit Paul Steinfeld – Versöhnung in Anführungszeichen – nun so oft und so lange allein in Wien leben mußte, begegneten Landau und ich einander wieder häufiger, die alte Freundschaft wurde stärker denn je, und in meiner Hilflosigkeit und ehelichen Enttäuschung durch Paul Steinfeld, der meine künstlerischen Interessen nicht nur nicht verstand, sondern sogar ständig verspottete und verhöhnte … Ja, schreib das, es ist wichtig!«
    »… verspottete und verhöhnte …«
    … die Freiheit marschiert …
    Ich muß es tun. Ich muß es tun. Heinz muß gerettet werden. Auch Paul will das.
    »… wurde aus einer so lange Zeit rein platonischen Freundschaft nun eine intime Beziehung, wobei uns – da hast du es! – die häufige Abwesenheit Paul Steinfelds zugute kam … Tut mir leid, Schatz, aber das muß nun immerhin alles gesagt werden.«
    Valerie sah Landau an. Der hatte einen roten Kopf bekommen und hüstelte verlegen. Jetzt wusch er auch wieder symbolisch seine Hände. Es nahm ihn doch mit, was er da zusammenlog.
    Valerie erwiderte, gleichfalls mit gerötetem Gesicht: »Schon gut. Natürlich muß das alles rein. Und auch das, was der Doktor Forster dazu noch gesagt hat.« Sie zog ihre Kostümjacke aus. »Mir ist auf einmal so heiß.«
    »Warte, ich hänge sie über einen Bügel!« Landau sprang auf. Als er die Jacke schwungvoll nahm, fiel ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus einer der Taschen auf den alten, verzogenen Dielenboden.
    Er bückte sich.
    »Gib her!« Valeries Stimme klang erregt. Auch sie hatte sich erhoben. Er stotterte: »Aber was denn … wie schaust du denn aus?« Er faltete das Papier auseinander und las verständnislos und laut: »Pasteur 1870: Seidenraupenseuche …«

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    »… Erreger Mikroben …«
    »Einen Moment, Herr Landau.« Manuel mußte schlucken, bevor er weitersprechen konnte. Der schmächtige, zarte Buchhändler saß ihm im Salon seines Hotelappartements gegenüber. Er war, wie vereinbart, pünktlich um 15 Uhr wieder erschienen. Man schrieb Montag, den 20. Januar. Landau hatte fließend erzählt, bis er von Manuel heftig unterbrochen worden war.
    »›Erreger Mikroben‹.
Das stand auf dem Papier?
«
    »So ähnlich jedenfalls, ja. Etwas über Pasteur und Viren und Bakterien bestimmt! Kann sein, daß es anders formuliert war. Ich erinnere mich an den Text noch ziemlich gut, ich las ihn nämlich noch einmal, weil Valerie sich so aufregte und das Papier sofort zurückhaben wollte und mir nicht sagte, woher sie es hatte und was es bedeutete. Eine richtige Szene gab es, sie war ganz hysterisch! Also, ich verstand kein Wort. Heute noch nicht … Was haben Sie? Sie sind ja ganz außer sich!«
    »Alles in Ordnung.« Manuel bekam zu wenig Luft. Er versuchte, richtig durchzuatmen. Es gelang ihm nicht. »Das ist lange her … siebenundzwanzig Jahre … würden Sie das Papier wiedererkennen …

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