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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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triefte, durchnäßt waren der Monteuranzug, den er darunter trug, und die schweren Schuhe, dreckbespritzt war die ganze Kleidung. Aus dem blonden Haar flossen Regentropfen über das schmale Gesicht mit den Sommersprossen.
    Es war 23 Uhr 30 an diesem selben Novembertag, und es regnete noch immer. Heinz hatte eine Arbeitsverpflichtung als Rollenpendler annehmen müssen, das Arbeitsamt hatte sehr schnell reagiert. Nun verließ er täglich die Wohnung um 15 Uhr und kam nie vor 23 Uhr 30 heim. Oft wurde es später. Die Kinos, zwischen denen er die Filmrollen hin und her transportierte, lagen im VI . Bezirk, in Mariahilf, er hatte also auch noch einen langen Weg zu seinen Arbeitsstätten. Gewöhnlich war Heinz zu müde, um noch etwas zu essen, wenn er endlich nach Hause kam. In dieser Nacht jedoch war er fieberhaft erregt. Sein Gesicht, naß und erschöpft, leuchtete auf, als er sah, daß außer Valerie auch noch Martin Landau anwesend war.
    »Guten Tag, Vater!«
    »Tag, mein Junge«, sagte Martin Landau mit unsicherer Stimme. »Nun rede schon, Mami! Der hat Augen gemacht, der Friedjung, wie du mit dem Anwalt angerückt bist, was?«
    Valerie saß, im Hausmantel, auf einer Couch.
    »Ja«, sagte sie und lächelte, »der hat Augen gemacht, Heinz! Das war vielleicht eine Überraschung für den!«
    »So hat er sich das nicht vorgestellt, was?« Heinz lachte.
    Martin Landau fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Valerie hatte ihn gebeten, an diesem Abend bei ihr zu bleiben, bis Heinz heimkehrte. Sie besaß nicht den Mut, ihn allein zu erwarten.
    »Nein, so hat er sich das nicht vorgestellt. Zieh dich doch aus, Heinz, du bist ja völlig durchnäßt. In der Küche steht warmes Essen im Rohr. Die Agnes hat dir was Feines gemacht. Sie schläft schon. Komm, wir gehen in die Küche.
    »Gleich, Mami, gleich.« Heinz war sehr aufgeregt. »Ich habe es ja gewußt, daß er kuschen wird, wenn du mit dem Anwalt anrückst! Der feige Hund. Ganz klein ist er geworden, was?«
    »Ja, Heinz.« Valerie lächelte noch immer.
    »Das ist doch klar, daß ich weiterstudieren darf, sobald wir den Prozeß gewonnen haben, nicht?«
    »Das ist
völlig
klar«, sagte Valerie. »Darüber haben wir natürlich gesprochen. Friedjung war …« Sie mußte Atem holen.
    Heinz bemerkte nicht, daß es eine Unterbrechung aus Schwäche war. Er sah nicht, wie seine Mutter sich an der Lehne der Couch festhielt.
    »Ganz schön durcheinander, was?« Heinz lachte laut. »Ach, prima! Das gönne ich dem Drecksack! Das hat er nicht erwartet! Der hätte sich überlegt, mich rauszufeuern, wenn er gewußt hätte, daß wir jetzt vor Gericht gehen.«
    Martin Landau sah, daß Valerie nicht sprechen konnte. Lächeln konnte sie noch.
    Martin Landau sagte: »Ja, mein Junge. Der hätte sich das gründlich überlegt. Ist ihm irrsinnig unangenehm, die Sache, sagt deine Mutter. Na, der Anwalt hat ihm ordentlich Zunder gegeben, das kannst du dir ja vorstellen, nicht?«
    »Und wie!« Um Heinz bildete sich auf dem Fußboden eine Pfütze. Niemand bemerkte sie. »Der dämliche Hund! Das wird ein Tag werden, wenn ich wieder zurückkomme in das Institut! Als Arier! Was, Mami?«
    Valerie nickte. Sie lächelte noch immer.
    »Ich danke dir ja so, daß du dich zu dem Prozeß entschlossen hast … und auch dir, Vater … Natürlich ist das nicht angenehm für euch beide, verstehe ich vollkommen …«
    »Es geht doch um dich«, sagte Landau. »Was heißt da nicht angenehm?«
    »… aber wenn es vorüber ist, werden wir alle glücklich sein, so glücklich! Ich bin es jetzt schon! Jetzt schon!«
    Martin Landau sagte langsam: »Es wird freilich eine Weile dauern, Heinz. Vielleicht eine lange Weile. Von heute auf morgen gewinnt man einen solchen Prozeß nicht.«
    »Weiß ich doch!« rief der Junge. »Meinetwegen soll der Prozeß dauern, so lange er will! Daß ich kein Halbjud bin, das wissen jetzt alle! Der Friedjung, der Gauleiter, das Gericht! Das ist das Wichtigste! Was hast du denn, Vater?«
    »Dein neuer Beruf … Ich habe gerade denken müssen, wie schwer das für dich ist …«
    »
Schwer?
Überhaupt nicht! Zuerst, ja … oder bei einem solchen Sauwetter wie heute … Da ist es natürlich nicht gerade angenehm! Aber ich habe mich daran gewöhnt, ganz schnell! Und wenn ich auch spät nach Hause komme – ich kann doch lange schlafen! Das konnte ich früher nicht! Man trifft so interessante Leute, weißt du? Und während man auf die Rollen wartet, sieht man auch immer ein Stück Film …

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