Und Jimmy ging zum Regenbogen
Café hinüberführte; hier befand sich die Reihe der Telefonzellen. Er betrat Nummer fünf. Der Apparat schrillte. Manuel hob ab.
»Ja? Hier ist Aranda.«
»Gott sei Dank, Sie sind im Hotel. Ich habe Glück. Hier ist Martha Waldegg. Kann ich sprechen? Sind Sie allein?«
»Ja. Guten Abend, Frau Waldegg«, sagte Manuel.
»Mein Mann ist bei Freunden. Ich bin zu Hause. Man kann durchwählen nach Wien. So findet mein Mann keinen Beleg bei der Telefonrechnung. Haben Sie Irene gesehen?«
»Einige Male. Sie sitzt in der Bar. Wir wollen zusammen essen.«
»Um Gottes willen! Sie darf nicht wissen, daß ich … Herr Aranda, Sie haben mir versprochen …«
»Ich sage ihr kein Wort. Und ich habe ihr auch kein Wort gesagt. Sie rufen an, vermute ich, weil ich Sie nun besuchen darf.«
»Ja.«
»Wann?«
»Übermorgen. Mittwoch. Da fährt mein Mann in der Früh nach Wien und kommt erst am Donnerstag wieder. Das Grundstück, ich erzählte Ihnen davon ….«
»Ich erinnere mich. Also Mittwoch, gut. Um wieviel Uhr?«
»Sie können nicht mit dem Wagen fahren – über den Semmering und die Berge. Da liegt zuviel Schnee. Sie müssen die Bahn nehmen.«
»In Ordnung.«
»Haben Sie Papier und einen Bleistift?«
Beides lag auf einem schmalen Bord unter dem Apparat.
»Ja.«
»Also, Sie fahren vom Südbahnhof aus. Der liegt direkt neben dem Ostbahnhof. Ein Riesenneubau. Am besten nehmen Sie den ›Venetia-Expreß‹. Der fährt um 8 Uhr 05 in Wien ab und ist um 13 Uhr 29 in Villach. Dann geht ein Zug ab Villach um 16 Uhr 26. Da sind Sie um 22 Uhr 05 wieder in Wien. Geben Sie Irene eine Erklärung … daß Sie geschäftlich einen Tag weg müssen, zum Beispiel.«
»In Ordnung. Niemand wird etwas erfahren. Ich erzähle allen irgendeine Geschichte.«
»Danke, Herr Aranda! Drei Stunden Aufenthalt haben Sie. Wenn man eine Stunde für die Taxifahrt zu unserem Haus und zurück zum Bahnhof rechnet, bleiben immer noch zwei Stunden. Zeit genug! Ich kann Ihnen alles erzählen. Notieren Sie sich die Adresse: Fliederstraße 143. Unsere Villa liegt ziemlich einsam. Meiner Haushälterin habe ich freigegeben, wir werden ganz allein sein.«
»Also dann bis Mittwoch nachmittag, Frau Waldegg.«
Als Manuel durch die Halle in die Bar zurückging, wischte er sich mit einem Taschentuch die Stirn trocken. In der Zelle war es heiß gewesen. Und die Einladung von Irenes Mutter hatte ihn aufgeregt. Er kam weiter, Schritt um Schritt, mehr und mehr Licht fiel in die Dunkelheit, durch die er zuerst getappt war.
›La vie en rose‹ spielte das Orchester der rührenden alten Herren nun. Irene sah Manuel entgegen.
»Cayetano. Aus Paris«, sagte er, sich setzend. »Schneesturm, ärger denn je. An einen Abflug ist nicht mehr zu denken. Er hofft, daß er es morgen schaffen wird.« Manuel bemerkte, wie Irene etwas auf der Tischplatte mit der Hand verdeckte. »Was ist das?«
»Was ich Ihnen mitgebracht habe«, sagte Sie.
Es war ein Foto von ihr, ein Farbfoto, und es zeigte nur Irenes Kopf. Sie lachte. Die braunen Augen und das braune Haar leuchteten, die schönen Zähne glänzten.
»Oh!«
»Sie wollten doch ein Bild von mir. Und heute nacht haben wir das dann in unserer Aufregung vergessen.«
»Danke, Irene.« Er empfand leichte Bedrückung. Vor ein paar Minuten habe ich mit deiner Mutter telefoniert, dachte er. Und versprochen, dir nichts davon zu sagen. Manuel kam sich plötzlich vor wie ein Betrüger, ein Verräter. Er sagte: »Sie müsen aber etwas auf die Rückseite schreiben!«
»Es steht schon da«, sagte Irene.
Er drehte das Foto um und las:
Es war kein Zufall, daß der Rabbi die Suppenschüssel umwarf. Daran glaubt der Weinhauer Seelenmacher. Ich glaube auch daran.
Irene Waldegg
54
Die Bauernstube hatte einen Boden aus breiten Dielen. Bunt bemalte große Möbel standen im Raum, am Fenster hingen karierte Vorhänge, an den Wänden zwei Bilder – das eine zeigte einen röhrenden Hirsch, das andere hohe Berge im Alpenglühen.
In der Mitte des Zimmers stand Yvonne Werra. Sie trug ein Hüftmieder, grobe Wollstrümpfe und Holzpantinen. In der rechten Hand hielt sie einen dicken Strick. Neben ihr stand eine Ziege, einen großen Eimer vor sich, aus dem das Tier von Zeit zu Zeit durstig trank. Und hinter der Ziege, halb über sie geneigt, stand ein schlanker, kräftiger Mann, der nur einen Tirolerhut trug. Seine nackte Haut war sehr weiß. Der Mann hatte dunkles Haar, dunkle Augen, und sein Gesicht war vor Erregung verzerrt. Er coitierte
Weitere Kostenlose Bücher