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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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wahr?«
    »Wenn mir jemand assistiert …«
    »Ich bin sehr kräftig«, sagte Valerie schnell. »Man sieht es mir nicht an. Mein erstes Kind habe ich ganz leicht und ohne Komplikationen zur Welt gebracht. Nach vier Tagen lief ich schon wieder herum. Zur Not wird es auch schon nach drei oder zwei Tagen gehen. Martha kann Ihnen assistieren. Niemand wird etwas merken … Was ist? Wollen Sie doch nicht, Herr Doktor?« Er antwortete nicht. »Herr Doktor, bitte! Sie haben doch schon zugesagt!«
    Der Dr. Josef Orlam antwortete langsam: »Ich halte mein Wort auch. Ich sympathisiere mit allen Schwachen und Hilflosen. Wahrscheinlich, weil ich selber hilflos und schwach bin. Ich kann nicht viel für Sie tun.«
    »Sie können unendlich viel tun!« rief Valerie.
    Orlam zuckte die Schultern.
    »Nach Ihnen sehen, das Kind entbinden – was ist das für jemanden, der es sein Leben lang getan hat? Und dann kann ich noch den Geburtsschein ausstellen und durch meine Unterschrift bestätigen, daß Ihre Schwester ein Kind bekommen hat. Damit aber ist meine Macht zu Ende. Schon zu den Behörden gehen müssen
Sie,
Frau Waldegg. Und lügen vor Ihrem Mann müssen
Sie.
Jetzt schon! Und mit der Lüge leben müssen
Sie beide,
meine Damen –
immer weiter!
Es gibt dann kein Zurück mehr.«

74
    Der Major Hans Waldegg war selig vor Freude, als er den Brief seiner Frau erhielt, in dem diese ihm mitteilte, daß sie schwanger sei. Er versuchte, Urlaub zu bekommen, jedoch wurde sein Ansuchen abgelehnt. Daraufhin begann der Major Waldegg, ein rechtschaffener, etwas einfältiger Mensch aus gutbürgerlicher Familie, der sich niemals um Politik kümmerte, sondern nur um seinen Beruf, den auch schon Vater und Großvater ausgeübt hatten, seiner geliebten Frau jeden zweiten Tag zu schreiben, und sehr viele Briefe erreichten auch ihn.
    Alles gehe seinen guten Gang, schrieb Martha Waldegg. Dr. Orlam sei außerordentlich zufrieden. Sie befolge alle seine Anordnungen auf das gewissenhafteste. Mit der Geburt des Kindes rechne sie für Dezember. Ihre Schwester Valerie habe jetzt bereits versprochen, Anfang Oktober nach Villach zu kommen und bei ihr zu bleiben bis zur Niederkunft.
    Das rührte den Major Waldegg, denn er wußte um Valeries Schicksal, und sie tat ihm leid. Waldegg schrieb auch Valerie Briefe, in denen er immer wieder seine Dankbarkeit aussprach.
    Diese Briefe ließ Valerie daheim herumliegen, so daß die Agnes und ihr Sohn sie lesen konnten, und sie zeigte sie Martin und Ottilie Landau. Natürlich verstanden die beiden, daß sie der Schwester beistehen wollte und mußte, und so übersiedelte Valerie Anfang Oktober. Sie war da bereits im sechsten Monat, aber man sah ihrem schlanken Körper die Schwangerschaft nicht an. Genauso war es bei Heinz gewesen – erst in den letzten beiden Monaten vor der Geburt hatte Valeries Leibesumfang zugenommen.
    Sie verließ Wien und die Buchhandlung Landau, Heinz blieb in der Obhut der Agnes zurück. Es war ein trauriger Abschied, denn Heinz, mittlerweile ein wenig ruhiger geworden, zeigte sich der Mutter gegenüber immer noch feindselig und verschlossen. Mit schwerem Herzen fuhr Valerie nach Villach …
    Regelmäßig erschien Dr. Orlam in der einsamen Fliederstraße und untersuchte scheinbar Martha Waldegg (die nun schon ein Kissen – Polster sagt man in Österreich dazu – unter dem Rock trug), tatsächlich jedoch Valerie, deren Bauch sich langsam rundete, was sie mit Hilfe einer veränderten Garderobe und dadurch verbarg, daß sie kaum noch das Grundstück verließ und in Begleitung ihrer Schwester täglich stundenlang in dem nun kahlen Garten, hinter dem die Züge rollten und die Lokomotiven pfiffen, spazierenging. Sie solle sich viel Bewegung machen, hatte Dr. Orlam gesagt.
    Im November provozierte Martha dann einen wohlüberlegten Streit mit der Putzfrau, sie beschuldigte die Person ungerecht, was zur Folge hatte, daß die Putzfrau fristlos kündigte. Nun waren die Schwestern allein.
    In der Nacht des 8. Dezember 1938 setzten bei Valerie die Wehen ein. Martha rief telefonisch Dr. Orlam herbei. Am frühen Morgen des 9. Dezember schon hatte Valerie, ohne jede Komplikation wiederum, ihrem zweiten Kind das Leben geschenkt. Sie war in guter körperlicher Verfassung, ebenso das Baby. Drei Tage verbrachte Valerie im Bett, ständig besucht von dem alten Arzt, der zu seiner Verwunderung feststellte, daß sie einen gelösteren und fröhlicheren Eindruck machte als Martha, die nun die Rolle der Mutter des

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