Und Jimmy ging zum Regenbogen
und Ihren Mann und Ihren Sohn falsch geschworen, Frau Steinfeld. Sie haben Glück gehabt durch mein Unglück …« Damit nickte Hermine Lippowski noch einmal kurz und verloren mit dem schrecklichen Kopf und schlurfte dann davon, grußlos, ohne sich umzudrehen, eingesponnen in das Gewebe ihres großen Schmerzes.
Valerie starrte ihr nach.
»Glück für dich, sie hat es gesagt. So viel Glück, Valerie! Ach, aber …« Landau brach ab.
»Was aber?«
»Die Blutgruppenuntersuchung … wenn die nun ergibt – wie hat der Richter das formuliert? –, daß eine Zeugung durch mich eindeutig auszuschließen ist … Das klingt schon so negativ! Ich bin in der Partei, Valerie! Jetzt habe ich geschworen … Was geschieht mit mir, wenn da etwas passiert, was?«
»Wir werden auch da Glück haben. Es wird gar nichts geschehen«, sagte Valerie schnell. Sie hängte sich bei Landau ein. »Komm, wir müssen zu den andern.« Herr im Himmel, dachte sie, was ist, wenn die Blutgruppen wirklich nicht stimmen?
Martin Landau ließ sich führen wie ein kleiner Junge. In dem Park, den Splittergräben durchzogen, die man in Erwartung von Luftangriffen angelegt hatte, blühten Primeln, Schneeglöckchen und Krokusse, wenige, weit verstreut. Unter einem Baum, an dessen Ästen schon frische, grüne Blattspitzen zu sehen waren, warteten die anderen auf Martin und Valerie. Sie sahen den beiden entgegen, und ihre Gesichter waren ernst. Nur Heinz strahlte.
»Was habt ihr denn?« fragte Valerie, die zufrieden fühlte, wie eine immer größere Müdigkeit sie überkam. Das Beruhigungsmittel – nun erst begann es mit Macht zu wirken! »Ich glaube, wir können uns nur alle gratulieren!«
Die Agnes begann plötzlich zu schluchzen.
»Er hat mich nicht schwören lassen, der Kerl«, rief sie unglücklich. »Nicht und nicht hat er mich schwören lassen – und ich hab doch so gewartet darauf! Die anderen, die haben dürfen! Warum ich nicht, Herr Rechtsanwalt?«
»Sie waren dem Richter suspekt, Sie haben …«
»Ich war ihm was?«
»Sie haben zu oft davon geredet, daß Sie beschwören können, was Sie sagen. Das hätten Sie nicht tun dürfen.«
»Zu oft gesagt? Da haben Sie wohl recht, Herr Rechtsanwalt. Und jetzt ist es zu spät!«
»Wer weiß«, sagte Forster.
»Wieso?« Die Agnes horchte auf. »Glauben Sie, daß ich noch einmal drankomm?«
»Wer weiß«, sagte Forster wieder. Er wollte Agnes Peintinger trösten. Es gelang ihm auch.
»Ja, dann …!« Die Agnes wischte sich die Tränen fort. »Dann fang ich es aber gescheiter an, ich blöde Kuh!«
Valerie und Landau hatten Ottilie etwas beiseite gezogen. Martins Schwester zeigte ein unwirsches Gesicht.
»Was ist? Ich muß schnell heim. Der Wind … Die Schmerzen fangen wieder an.«
»Das vergesse ich dir nie!«, sagte Valerie.
»Aber ich verstehe das nicht!« rief Martin. »Du hast doch nicht wollen! Du hast doch gesagt, kein Wort sagst du für uns aus!«
»Ich habe heute nacht nicht schlafen können … nicht nur wegen der Zahnschmerzen … ich habe dauernd an Valerie denken müssen«, sagte Tilly, das Tuch an der Wange.
»Und?« drängte Martin.
»Und am Morgen, da habe ich mir gesagt, ich kann das einfach nicht tun, erklären, daß ich von nichts weiß. Da habe ich mir gesagt, es ist Christenpflicht, der Valerie zu helfen, und dem Heinzi …«
»Ach, Tilly, du bist wunderbar!« rief Landau.
»Ich bin gar nicht wunderbar«, sagte seine Schwester mit schmalen Lippen und wieder so verschlossen wie zuvor. »Ich habe es getan. Nun läuft das also alles, nun geht das seinen Weg. Aber ich fürchte, es wird keinen guten Weg gehen …«
»Tilly!«
»Nein, keinen guten Weg, Martin. Diese Wahnsinnsgeschichte
kann
nicht gutgehen! Sie wird ein böses Ende nehmen, ihr werdet es sehen. Aber ihr habt es ja nicht anders gewollt …« Damit eilte Ottilie Landau, ohne sich von jemandem zu verabschieden, aus dem Park zur nahen Straßenbahn.
Valerie und Martin sahen ihr nach, dann blickten sie einander stumm an. Forster trat zu ihnen. Er sagte: »Wenn Sie mich in den nächsten Tagen einmal aufsuchen wollten, gnädige Frau? Damit wir die nächsten Schritte besprechen können …» Er küßte ihr die Hand und verabschiedete sich auch von Landau. Er hatte eine dringende Verabredung.
»Warum ist der so sonderbar?« fragte Martin ängstlich.
»Ein Anwalt. Die sind eben so. Wir haben den besten, den es gibt«, antwortete Valerie und hörte die Stimme der Agnes: »Ich fahr mit dem Heinzi
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