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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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nach Hause zum Essen, gnä’ Frau! Hab was Feines vorgekocht für heute! Ich sag nicht was, Sie kriegen es am Abend, als Überraschung! Zur Feier des Tages hab ich es gemacht!«
    »Und wenn das hier schiefgegangen wäre, Agnes?« fragte Landau.
    »Konnte doch nicht schiefgehen!« rief Heinz lachend.
    Die Agnes sagte leise: »Nein, konnte nicht. Der Herrgott hält seine Hand über alle braven Leut, wo in Not gekommen sind, das sagt mein Herr Hochwürden. Und vielleicht darf ich doch noch schwören, sagt der Herr Rechtsanwalt … Komm jetzt, Heinzi. Die Mami und dein Vater müssen ins Geschäft zurück.«
    Valerie sah zu der Normaluhr an der nahen Kreuzung. Plötzlich war sie aufgeregt.
    »Schnell, Martin! Es ist schon zwanzig vor eins!«
    »Na und? Wir haben doch geschlossen bis – ach so«, sagte er gottergeben. BBC . Natürlich wollte sie um 13 Uhr wieder BBC hören!
    Ja, das wollte Valerie – noch nie hatte sie es so sehr gewollt! Es war, als wünschte sie die Stimme ihres Mannes – hoffentlich sprach er in der 13-Uhr-Sendung! – zu hören, um so mit ihm verbunden zu sein, als könnte sie ihm durch geheimnisvolle Kräfte über viele Hunderte von Kilometern hinweg dann mitteilen, daß alles gutging.
    Sie hörte die Stimme, die sie stets für jene ihres Mannes hielt. Unter der Decke, das Ohr an den Lautsprecher des Radios gepreßt, vernahm sie diese Stimme, dieweilen Martin Landau seine gewohnten Runden um den Häuserblock machte. Die Sendung lief schon seit einiger Zeit, als Valerie endlich an ihren Apparat kam, die Nachrichten waren bereits verlesen. Eine Uhr tickte, und Valerie lauschte der Stimme: »Hören Sie das Ticken dieser Uhr? Hören Sie in Ihrem Zimmer Ihre eigene Uhr die Sekunden ticken? Eins, zwei, drei … sechs, sieben. Jede siebente Sekunde stirbt ein deutscher Soldat in Rußland …«
    Mit aller Kraft, mit zusammengezogenen Brauen und gefurchter Stirn, dachte Valerie: Sei ohne Sorge, Paul, alles geht gut …
    »… Nach verläßlichen Berichten sind allein in den ersten vier Monaten des russischen Feldzugs über eine Million Deutsche gefallen. Jede Woche achtzigtausend. Jede Stunde fünfhundert. Wofür? Für verwüstete Erde? …«
    Das kleine Reh … es bringt uns Glück … uns allen …
    »… Für wen? Für Adolf Hitler? Wofür? Für Machtwahn? …«
    Dieser Richter war ein ganz böser Hund, aber er hat sich dem einfach nicht verschließen können, was wir vorgebracht haben, was die Zeugen beschworen haben …
    »… Jede siebente Sekunde … Stunde um Stunde … Tag und Nacht … Tag und Nacht jede siebente Sekunde …«
    Valeries Kopf glitt an der Wand des Apparates herab auf die Tischplatte. Sie seufzte noch einmal lange und glücklich. Dann bewegte sie sich nicht mehr.
    Als Martin Landau eine Viertelstunde später in den Laden zurückkehrte, fand er Valerie so vor – unter der Decke, den Kopf auf der Tischplatte, in tiefem Schlaf. Der Apparat lief. Ein tschechischer Ansager verlas gerade Nachrichten. Landau stellte das Radio schnell ab und drehte an den Skalenknöpfen, dann bettete er Valerie behutsam auf das alte Sofa und deckte sie vorsichtig zu.
    So ist auch einmal der Heinz eingeschlafen, dachte er beklommen, damals, in jener Nacht, in der alles begann. Martin Landau blickte Valerie Steinfeld an. Ein seliges Lächeln erhellte ihr Gesicht …

14
    »… wie das eines ganz jungen Mädchens, erzählte mir Herr Landau, ich erinnere mich jetzt wieder daran«, sagte der alte Rechtsanwalt Dr. Otto Forster im obersten Stock seiner Villa an der Sternwartestraße zu Manuel. Er legte die Papiere, in denen er geblättert hatte, auf den Tisch.
    »Martin Landau hatte den Mut, Ihnen zu erzählen, daß seine Angestellte im Geschäft London hörte?«
    »Mut! Einmal, als wir uns schon sehr gut kannten und er mir vertraute, war er dabei, als Valerie sagte, sie höre BBC . Da erzählte er dann, wie er sie an diesem ersten Gerichtstag gefunden hatte.« Der Mann, dem ein Wachhund in einem Konzentrationslager die rechte Gesichtshälfte zerfleischt und das rechte Ohr abgebissen hatte, blickte ein Papier an und lachte. »Wie ordentlich es damals zuging bei den Gerichten!« Manuel las, am Ende des in Maschinenschrift übertragenen Stenogrammprotokolls:
    Ende: 12 Uhr 30
    Dauer: 5 halbe Stunden
    Gebühr: RM 21.40
    2 Ausfertigungen: RM 4.80 (je RM 2.40)
    Zusammen: RM 26.20
    »Das hat dieser Trampel getippt, Gloggniggs Stenographin, das Fräulein Bohnen«, sagte Forster. »Ich sehe sie

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