Und Jimmy ging zum Regenbogen
Sie ihn für einen Lügner halten. Das ist er nicht. Er ist unfähig zu lügen. Aber er ist ein wenig weltfremd, ängstlich …«
»Na,
den
Eindruck hatten wir hier gerade nicht, Frau Landau!«
»Nein? Es ist aber so, Herr Richter. Ich kenne meinen Bruder wahrhaftig … ja, richtig, natürlich!«
»Wie bitte?«
»Ich kann mir schon denken, warum er sich zusammengenommen hat und hier so forsch aufgetreten ist, wie er nur kann!«
»Warum?«
»Hat er nicht gesagt, daß er unbedingt als Vater des Buben anerkannt werden will bei dieser Gelegenheit?«
»Ja, allerdings, das hat er …«
»Sehen Sie! Davon hat er mir doch auch vorgefaselt die ganzen Jahre hindurch, immer wieder, immer wieder … Sein größter Wunsch war das!«
»Frau Landau – und Sie sind bereit, Ihre Aussage vollinhaltlich zu beeiden?«
»Selbstverständlich, Herr Richter. Das kann ich alles beschwören.«
12
»… in Würdigung der Sachlage und der Aussagen der obgenannten Zeugen sowie über den ausdrücklichen Antrag des Kurators Doktor Hubert Kummer verfügt das Gericht über die Zulassung des Beweises … kommen Sie mit, Fräulein?« fragt Gloggnigg, der rasch und böse diktiert hat. »… Zulassung des Beweises«, wiederholt das gelangweilte, stumpfsinnige Wesen an der Schmalseite seines Tisches, die Stenographin Herta Bohnen, sich mit einer Hand den Nacken kratzend.
»… den auch der Klagevertreter Doktor Otto Forster verlangte …« Ich darf mich nicht einfach über all diese Aussagen hinwegsetzen, denkt Gloggnigg. Sonst bekomme ich Ärger mit dem Präsidenten.
»… erstens: über die rassische Einordnung und über die Frage, ob und inwieweit es ausgeschlossen werden kann, daß der Kläger Heinz Steinfeld von Paul Israel Steinfeld gezeugt wurde, indem eine anthropologisch-erbbiologische Untersuchung durchgeführt wird …«
Valerie sieht Forster an. Der lächelt und nickt und zupft an seinem Ohr. »… zweitens: durch eine Blutgruppenuntersuchung darüber, ob eine Zeugung des Klägers durch Martin Landau eindeutig
auszuschließen
– haben Sie, Fräulein?«
»Eindeutig auszuschließen«, sagt die gelangweilte Stenographin.
»… auszuschließen ist. Punkt. Absatz.« (Gegen so viele beeidete positive Aussagen kann ich nichts machen. Jetzt ist mir auch noch der Scheißer, dieser Kummer in den Rücken gefallen. Gibt welche, die nennen mich einen Bluthund. Ich muß achtgeben. Bin zur Beförderung vorgesehen. In Berlin schätzt man mich sehr. Immer korrekt jetzt. Ich werde einen ganz scharfen Sachverständigen nehmen. Dann sind die Herrschaften sowieso erledigt. Und mir kann keiner etwas nachsagen.) »Zum Sachverständigen zu Punkt eins wird SS -Sturmbannführer Privatdozent Doktor Kratochwil vom Anthropologischen Institut der Universität Wien …«
(Das ist der
Schärfste!
Die werden sich wundern!) »… zu Punkt zwei ein Arzt des Gerichtsmedizinischen Instituts der Universität Wien, Vorstand Professor Doktor Schmalenacker, bestellt …«
13
Die Sonne schien hell, Menschen hasteten an der kleinen Gruppe vorüber, die den Justizpalast verließ. Straßenbahnen sausten klingelnd über die Museumstraße, Radfahrer, Wehrmachtsautos.
»Ich bin ja so glücklich! So glücklich! Das ist doch prima gegangen, Mami, nicht?« Heinz Steinfeld zog die Krawatte herab und öffnete den Kragen, der ihn lange genug gequält hatte. »Jetzt noch die Untersuchungen, und dann …«
»Nicht hier«, sagte Forster schnell. »Kommen Sie.« Damit ging er bereits eilig auf einen nahen kleinen und noch ziemlich kahlen Park zu, der sich neben dem Justizpalast, gegenüber dem Auerspergpalais befand. Valerie und Martin Landau sahen sich plötzlich mit der schwarz gekleideten Hermine Lippowski allein.
»Ich danke Ihnen von ganzem Herzen«, sagte Valerie.
»Und auch ich«, sagte Landau, noch übererregt von der Verhandlung.
»Sie müssen mir nicht danken«, antwortete die Lippowski, mühsam Atem holend, stockend. »Ich habe eine Nachricht bekommen. Gestern. Durch Freunde. Aus dem KZ Sachsenhausen …«
»Mein Gott – Ihr Mann?« fragte Valerie.
»Mein Mann, ja«, sagte das fette Ungeheuer und starrte Valerie aus verschwollenen Augen an. »Tot. Ermordet haben sie ihn, diese Bestien. Meinen Mann. Ich habe einen einzigen Menschen im Leben geliebt – ihn! Auch noch, als er mich verlassen hat … heute noch … immer werde ich ihn lieben … immer weiter! Es ist mir klargeworden wie in einem Blitzstrahl gestern. Deshalb habe ich für Sie
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