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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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nicht, du Schwein!«
    Bianca fuhr zusammen. Es war ihr, als hörte sie einen fremden Menschen reden, nicht Heinz.
    »Geschlafen … gelaufen in Nacht … immer nur Nacht laufen, verstehen … Tag zu gefährlich …« Der Mann stöhnte auf. »Fuß …«
    »Was ist mit dem Fuß?« Heinz sah, daß in dem einen Stiefel ein Brettchen steckte, das mit einem Tuch am Bein festgebunden war.
    »Nicht gut … krank … treten auf Stein … fallen …«
    »Verstaucht oder geprellt«, sagte Heinz. »Du bist geflohen, stimmt das?«
    »Ja … ja … bitte, Herr …«
    »Wo?«
    »Steyr … großes Lager dort … Fabrik …«
    »Wie lange bist du schon unterwegs?«
    »Wochen … zwei … Kameraden kaputt … hat Polizei … verstehen? Nur mich nicht …«
    Heinz antwortete nicht. Schnell durchsuchte er die Taschen des Liegenden.
    »Keine Waffen«, sagte er, nachdem er auch noch in den Brotbeutel gesehen hatte. Er ließ den Russen los. Der rollte herum und richtete sich auf.
    Er saß nun. In seinen dunklen Augen glomm ein irres Feuer: Angst, Angst, Angst!
    »Wie bist du auf die Insel gekommen?« fragte Heinz. Seine Stimme, dachte Bianca wieder, seine Stimme! Sie ist ganz anders, er ist ganz anders, ein fremder Mensch kniet da vor mir. Heinz. Mein Geliebter. Was ist geschehen?
    »Ich schwimmen.«
    »Mit dem Fuß? Lüg nicht!«
    »Nicht lügen … mit Fuß, ja … mich verstecken, verstehen?«
    »Und jetzt, wo es wieder Nacht ist, hast du das Boot nehmen und abhauen wollen!« Heinz neigte sich weit vor. »Aber nicht zu diesem Ufer! Nicht den Weg zurück natürlich. Nein, hinüber zum Nordufer! Und von dort dann weiter, was? Ins Protektorat. Ist ja ganz nahe. Die Tschechen würden dich verstehen … und verstecken …«
    »Nein, nein, ich …«
    Heinz schlug den Russen ins Gesicht.
    »Heinz!« rief Bianca entsetzt.
    »Sei ruhig!« zischte er.
    »Ich nach Hause … Frau und Kinder … drei Kinder … nicht wissen, ob kaputt … Krieg nix gut …« Mit einer jähen Bewegung erhob sich der Russe. Kniend umklammerte er Biancas Beine. Er sah zu ihr auf, Tränen in dem zerfurchten Gesicht. »Bitte, Frau, bitte, sagen Mann, er mich lassen …«
    Bianca versuchte sich freizumachen. Der Russe hielt ihre Beine eisern fest. Er zitterte, sie konnte es spüren.
    »So weit ich schon … und jetzt … gute Frau … guter Mann … mich lassen gehen, ja?«
    »Ja«, sagte Bianca mit erstickter Stimme.
    »Danke … danke … spassiba …« Eine russische Wortflut brach los. Der Kriegsgefangene küßte Biancas Hände. Er kniete immer noch vor ihr, das verletzte Bein häßlich abgewinkelt.
    »Loslassen!« Heinz riß die Hände des Russen fort. Der fiel seitlich in den Sand. Er hob die Arme schützend vor das Gesicht. Heinz sprang auf.
    »Komm Bianca!«
    »Was wird aus ihm?«
    »Das wirst du schon sehen …«
    Er schob das Boot ins Wasser.
    Der Russe begann laut in seiner Muttersprache zu reden, mit gefalteten Händen.
    »Steig ein!« schrie Heinz Bianca an.
    »Aber der Mann …«
    »Der bleibt hier!«
    »Wie kommt er von der Insel fort?«
    »Überhaupt nicht!«
    »Was?«
    »Los, los, komm schon!« Heinz zerrte Bianca ins Boot. Danach stieß er mit einem Fluch den Russen zurück, der sich ihm auf den Knien genähert hatte. Der Russe fiel kraftlos wieder um. »Du siehst ja, der hat überhaupt keine Kraft mehr. Zu diesem Ufer zurückschwimmen, das wird er auch nicht mehr können. Und wenn doch, dann kommt er nicht weit. Ohne Boot über den Strom kommt der nie!«
    »Herr … Herr … bitte …«
    Heinz schob den Kahn so heftig an, daß Bianca auf den Sitz im Heck fiel. Er sprang nach und begann sogleich zu rudern. Der kleine Russe stand am Rand der Insel, seine Arme hingen herab, sein Kopf war gesenkt, Bianca hörte ihn schluchzen.
    »Wir haben seinen Mantel … und seinen Brotbeutel …«, rief Bianca. »Natürlich. Das muß so sein. Den nehmen wir mit!«
    »Mit wohin?«
    »Zur Gendarmerie.« Heinz ruderte verbissen. Seine Stimme klang abgehackt. »Schau mich nicht so an, Bianca! Ich tue nur meine Pflicht!«
    Die Ruder tauchten tief ins Wasser. Bianca blickte zurück. Auf der Insel stand noch immer der Russe. Mit einer Bewegung der absoluten Hoffnungslosigkeit ließ er sich nun langsam sinken, fiel, in Zeitlupe sozusagen, blieb liegen auf dem weißen Sand, ein hilfloses, ausgeliefertes, elendes Bündel Mensch.

22
    Die Allee vom Ufer nach Fischamend sah im Mondlicht unwirklich und phantastisch aus. Sie leuchtete. Es

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