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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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herbeigeeilt und versuchten, ungeschickt und einander behindernd, den Anwälten zu helfen. Das Chaos war vollkommen …
    Währenddessen hatte die elegante junge Dame, die sich Victoria Rayo nannte, eine Kamera mit aufgestecktem Blitzlichtwürfel aus der Handtasche genommen. Ruhig und schnell begann sie das Büro und den Tresor zu fotografieren, indessen von draußen Kampfeslärm, das Fluchen der Männer und das Kreischen der Mädchen zu ihr schollen.
    Als der erste Blitzlichtwürfel nach vier Aufnahmen verbraucht war, steckte ihn die Dame in eine Kostümtasche, der sie einen neuen entnahm. Sie ging jetzt dicht an die Tresortür heran und fotografierte sie von allen Seiten, insbesondere den kegelstumpfförmigen Einstellknopf über dem großen Chromrad und den Kreis aus Zahlen und feinen Strichen, welcher jenen Konus umgab, sowie das Schild der Herstellerfirma, das sich, nahe dem Boden, in der unteren linken Ecke der Tresorwand befand und Angaben über Herstellungsjahr, Typenbezeichnung, Seriennummer und ähnliches eingestanzt trug.
    Draußen wurde es plötzlich ruhiger.
    Victoria Rayo erhob sich ohne Eile, nahm wieder Platz, steckte die Kamera ein, entzündete sich noch eine Zigarette, damit man den Geruch der abgebrannten Blitzlichter nicht wahrnehmen konnte, und kreuzte die schönen Beine.
    Im Sekretariat hatten sich Weber und Stein erhoben. Der betrunkene Riese war ihnen plötzlich entwischt und, indem er sich einen Weg durch die Menge der Gaffer schlug, blitzschnell aus der Eingangstür der Kanzlei gestürzt.
    »Wie ist der Kerl hereingekommen?« fragte Stein, das Haar glättend und seine Krawatte hochziehend.
    »Einfach so. Wie er jetzt raus ist«, sagte eines der verstörten Mädchen.
    »Tür aufgerissen und auf uns los! Der eine Apparat ist hin. Aber wir haben noch den zweiten. Sollen wir nicht doch die Polizei …«
    »Das hättet ihr früher tun müssen!« rief Dr. Stein wütend. »Jetzt erwischen sie den Burschen nie mehr. Wieso konnte er denn überhaupt in den Vorraum?«
    »Es hat geklingelt. Da habe ich auf den Knopf für den elektrischen Türöffner gedrückt – ganz automatisch. Das mache ich doch hundertmal am Tag«, sagte ein anderes Mädchen. Stein sah sie brütend an, dann nickte er. »So was kommt eben einmal vor«, sagte er und ging in sein Büro zurück, wo er sich bei Victoria Rayo entschuldigte und erklärte, was vorgefallen sei.
    »Das ist bisher noch nie passiert. Kein Grund zur Aufregung, gnädiges Fräulein. Schon wieder alles in Ordnung«, sagte Stein. »Tja, Ihr Fall … Ich möchte keine falschen Hoffnungen erwecken. Groß sind die Chancen nicht! Aber es gibt noch verschiedene Möglichkeiten, die doch Erfolg versprechen, wenn …«
    »Ja, wenn?«
    »Wenn ich mit dem Bezirksgericht in Innsbruck korrespondiert habe. Eventuell muß ich einen Kollegen einschalten. Doch ich warne Sie, gnädiges Fräulein: Solche Sachen dauern lange.«
    »Das weiß ich. Aber Klaus hat mir doch sein Ehrenwort gegeben, daß ich …« Victoria Rayo begann zu schluchzen.
    »Beruhigen Sie sich, bitte! Es ist noch gar nichts entschieden. Schlimmstenfalls kann man versuchen, einen Vergleich mit der Schwester zu schließen. Aber das alles wird seine Zeit dauern, ich sage es noch einmal … Wir wollen jetzt nur ein ganz kurzes Protokoll aufnehmen. Wo kann ich Sie in der nächsten Zeit erreichen?«
    »Ich muß nach Innsbruck, meine Sachen aus der Villa holen. Ich will nach Wien zurück. In fünf, sechs Tagen bin ich gewiß wieder hier …«
    »Vorher werde ich kaum etwas erreicht haben. Das Wochenende steht bevor.«
    »Wann immer Sie mich brauchen, ich komme sofort«, sagte die junge Dame. Sie hatte nicht die geringste Absicht, noch einmal diese Kanzlei aufzusuchen.
    Heute abend, um 23 Uhr 20, bin ich schon wieder in Graz, dachte die Frau, die sich Victoria Rayo nannte. Diese Kamera ist wunderbar, sie hat noch nie versagt. Mercier wird zufrieden sein.

25
    »Vor grauen Jahren lebt’ ein Mann im Osten, der einen Ring von unschätzbarem Wert aus lieber Hand besaß …« Ernst Deutsch – zwei Monate später, am 22. März 1969, sollte er, achtundsiebzigjährig, an Herzschwäche sterben – spielte seine berühmteste und bewegendste Rolle. Als ›Nathan der Weise‹ war er auf der Scheibe des Farbfernsehgerätes zu sehen, das Valerie Steinfeld beim Preisausschreiben einer Zeitung, unmittelbar vor ihrem Tode, gewonnen hatte. Der moderne Apparat stand auf einer alten Truhe des Wohnzimmers. Zurückgelehnt in einem

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