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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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in den defekten Schaukelstuhl gleiten. Erst als sie saß, nahm auch Valerie wieder Platz. Ihr Blick war nicht allein stumpf, er war seltsam starr und beständig leicht über die rechte Schulter Noras gerichtet. Die mageren Hände verschränkte Valerie im Schoß. Sie lächelte. Wie eine Blinde wirkt sie, dachte Nora plötzlich, ja, wie eine Blinde.
    Valerie fragte ernst: »Ist das bei einem Luftangriff passiert?«
    »Nein, bei einer anderen Gelegenheit.«
    »Schrecklich.«
    »Es gibt viel Schlimmeres«, sagte Nora, sich umsehend. Alles war noch genauso, wie sie es in Erinnerung hatte. Der rostige Gasrechaud. Das Spülbecken mit dem verfärbten, abgesplitterten Emaille. Das angeschlagene Geschirr. Der halbblinde Spiegel. Die alte Remington, in der ein Bogen schlechtes Papier steckte. Das alte Sofa. Der große Radioapparat. Die vielen Talismane auf dem vollgeräumten Schreibtisch.
    Nora griff in ihre Manteltasche.
    »Ich bringe Ihnen etwas mit, Frau Steinfeld! Sie werden es sicherlich schon vermißt haben!«
    Nora legte das kleine Reh aus Blei auf den Schreibtisch. Valerie betrachtete es ohne Ausdruck. Sie sagte kein Wort.
    Es irritierte Nora, daß Valerie nur sprach, wenn man sie etwas fragte. »Und Ihnen?« fragte sie. »Wie ist es Ihnen ergangen?«
    »Es war eine schwere Zeit«, sagte Valerie mit jener modulationslosen Stimme. »Nun ist sie vorüber …« Die Daumen der im Schoß verschränkten Hände bewegten sich umeinander.
    »Der Prozeß! Ihr Junge! Was ist mit ihm? Wir haben uns so lange nicht gesehen, Frau Steinfeld! Nun reden Sie doch!«
    Valerie antwortete leise: »Heinz ist nicht mehr da.«
    Nora erschrak.
    »Ist er …«
    »Nein, er ist nicht tot, Fräulein Hill«, antwortete Valerie, die aussah und dasaß und redete wie eine Wachsfigur mit eingebauter Sprechwalze. »Er lebt. In Los Angeles.«
    »Wie kommt er nach Amerika?«
    »Er hat eine Einladung erhalten, dort zu studieren. Sie erinnern sich doch, daß er Chemiker werden wollte, nicht wahr?«
    »Ja, natürlich. Wann ist er …«
    »Schon vor einem Jahr hat er mich verlassen. Wir hatten nur noch Streit, wissen Sie.« Valerie sah Nora während des ganzen Gesprächs kein einziges Mal direkt an, sie blickte immer an ihr vorbei. Und die Daumen der Finger drehten sich unablässig.
    »Streit? Weshalb?«
    »Ich bin schuld. Ich habe ihn zu streng behandelt. Dieser Prozeß hat mich so hart gemacht. Ich bin nicht mehr die Frau, die Sie in Erinnerung haben. Heinz hielt es nicht mehr aus bei mir. Ein guter Junge. Ich habe Fehler gemacht, schwere Fehler. Ich sehe es ein. Es hat mich natürlich trotzdem sehr getroffen, daß mein Mann sich hat scheiden lassen.«
    »Ihr Mann hat …«
    »Ja, Fräulein Hill. Gleich nach Kriegsende. Er ist inzwischen längst wieder verheiratet – in London. Eine junge Frau … jünger als ich. Er hat sie während des Krieges kennengelernt. Es geht ihm gut. Manchmal schreibt er mir. Ich darf ihm nicht böse sein. Eine so lange Trennung, nicht wahr?«
    »Aber …«
    »Doch, doch. Die Zeit! Der Krieg hätte nicht so lange dauern dürfen. Sie haben ja auch nicht den Mann geheiratet, den Sie liebten.«
    »Woher wissen Sie …«
    »Wären Sie sonst hier? Er hat Sie verlassen, stimmt’s?«
    Nora Hill nickte.
    »Die Männer verlassen die Frauen. Die Frauen verlassen die Männer. Einer verläßt immer den andern. Früher oder später.«
    »Großer Gott, Frau Steinfeld, das ist … das ist …«
    »Ja, bitte?«
    »Nach allem, was Sie mitgemacht haben – für seinen Sohn, auch für ihn! Und da läßt er sich scheiden!«
    »Wenn er doch eine andere liebt«, sagte Valerie. Sie wandte plötzlich den Kopf, sah das kleine Reh an und nahm das Stückchen Blei in die Hand. Nachdem sie es kurz betrachtet hatte, legte sie es mit einem irren Lächeln wieder fort und verschränkte die Finger im Schoß. »Paul weiß bestimmt überhaupt nicht mehr, wie ich aussehe.«
    »Aber der Prozeß! Wie kann Ihr Sohn Sie verlassen, wie kann Ihr Mann sich scheiden lassen nach einem solchen Prozeß?« rief Nora.
    Schneller drehten sich die Daumen Valeries.
    »Der Prozeß«, sagte sie. »Der wurde nie zu Ende geführt, der lief bei Kriegsende noch … Jetzt ist das ja alles vorbei und unwichtig und uninteressant … Wollen Sie eine Tasse Tee?«
    »Wirklich, Frau Steinfeld …«
    »Nein, nein!« Valerie sprang auf. Sie öffnete ein Wandschränkchen. »Vom Schwarzen Markt! Echter russischer! Wird Ihnen schmecken, Fräulein Hill. Zucker haben wir auch wieder,

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