Und Jimmy ging zum Regenbogen
richtigen, nicht diesen widerlichen Süßstoff. Es ist doch Frieden, nicht?«
»Wie bitte?«
Valerie drehte sich um. Jetzt sah sie Nora zum erstenmal an. In ihren Augen stand ein Ausdruck von panischer Furcht. Sie wiederholte bebend: »Frieden ist jetzt. Das stimmt doch. Nicht wahr, das stimmt doch. Oder nicht?«
52
»Unheimlich«, sagte Manuel Aranda.
»Ja, unheimlich war dieser ganze Besuch«, antwortete Nora Hill.
Aus der Halle, wo man sich drollige Anekdoten über den Beischlaf erzählte, klang wieder Gelächter in das Wohnzimmer. »Ich trank Tee mit ihr. Landau kam dazu. Er redete kaum ein Wort. Wir saßen da und schwiegen uns an.«
»Hatten Sie das Gefühl, daß Frau Steinfeld geistesgestört war?«
»Nicht geistesgestört. Verwirrt. Das war auch Landau. Nicht so sehr. Schließlich, sagte ich mir, hatte die Frau ein schweres Los getroffen. Beim Abschied luden sie mich ein, wiederzukommen. Ich lud sie zu mir ein. Aber ich bin sicher, sie fühlten dasselbe wie ich: Das waren reine Höflichkeiten. Im Grunde war ich den beiden völlig fremd, ja unangenehm geworden. Und um ehrlich zu sein: Mir ging es ebenso. Sie meldeten sich auch niemals. Und ich kehrte nie mehr in die Buchhandlung zurück.«
»Das heißt, damals sahen Sie die beiden zum letztenmal?«
»Ja, Herr Aranda, das heißt es.« Nora Hill lächelte und zeigte die schönen Zähne. »Damit bin ich am Ende meiner Geschichte.«
»Aber es ist nicht das Ende
meiner
Geschichte! Ich sehe noch immer nicht die Wahrheit!«
»Natürlich nicht. Sie müssen noch einmal mit Doktor Forster reden. Und dann kommt doch dieser Daniel Steinfeld, Paul Steinfelds Bruder, haben Sie mir erzählt. Der wird gewiß auch etwas zu berichten haben. Wann trifft er ein?«
»Montag.«
»Nun, lassen Sie sich Zeit, lieber Freund.« Wieder das Gelächter aus der Halle. »Wie die sich amüsieren! Wenn Sie die Wahrheit wirklich kennen, dann halten Sie aber auch Ihr Versprechen und kommen zu mir, damit ich meinen kleinen Wunsch äußern kann. Sie wissen doch noch – das war die Voraussetzung, unter der ich zu erzählen begann und Sie auf die richtige Spur führte!«
»Ich weiß«, sagte Manuel.
»Sie werden bestimmt kommen?«
»Bestimmt, Madame …«
»Das geht doch wundervoll«, sagte Grant in dem Kleinmädchenzimmer. Diesmal lag er auf dem Bett, und Santarin saß auf einem kleinen Stuhl. »Genauso wie Sie es sich vorgestellt haben, Fedor.«
»Sie sollen dann meinen Wunsch erfüllen – Sie müssen nicht. Niemand kann Sie zwingen«, klang Nora Hills Stimme aus dem Lautsprecher über dem Bett.
»Madame, was ich tun kann, will ich gerne tun, sobald ich wirklich alles weiß«, antwortete Manuels Stimme.
»Was er tun kann, will er gerne tun!« Grant sah Santarin strahlend an. »Wir wollen es hoffen«, sagte der Russe. »Sie haben das Nötige veranlaßt, Gilbert?«
»Natürlich, Fedor«, sagte der Amerikaner.
53
Es schneite in großen Flocken, als Manuel am Sonntag, dem 26. Januar 1969, pünktlich um halb elf Uhr vormittags am Gartentor der Villa in der Sternwartestraße läutete. Ein Summer ertönte, das Tor sprang auf. Manuel ging über den verwehten Kiesweg auf das Haus zu, dessen Eingangstür sich öffnete.
Anna, Forsters dicke, rundgesichtige Haushälterin, wurde sichtbar. Sie trug ihr schwarzes Kleid, aber nicht ihre weiße Schürze.
»Ja …?« Anna machte einen vollkommen verstörten Eindruck. »Sie wünschen?«
»Ich bin Manuel Aranda. Sie kennen mich doch! Herr Doktor Forster erwartet mich. Guten Morgen, Frau Anna.«
Die Frau brach in Tränen aus.
»Frau Anna! Ist etwas geschehen?«
»Der alte gnädige Herr …«
»Was ist mit ihm?«
»Tot ist er!« rief die Anna.
Manuel trat einen Schritt zurück.
»Aber … Ich war doch gestern nachmittag bei ihm … Da ging es ihm glänzend … Er freute sich so auf seine große Reise … Er wollte doch auf die Bahamas …«
»Das ist es ja«, schluchzte die Haushälterin. »Das ist es ja, sagt der Arzt. Er muß sich zu sehr aufgeregt haben. Sein Blutdruck … das Herz … Er war doch nicht gesund … Die Freude hat ihn umgebracht, die zu große Freude …«
»Wie ist es geschehen?« fragte Manuel, den seit langer Zeit wieder jenes jähe Schwindelgefühl packte.
»In der Nacht … im Schlaf … Das Herz ist einfach stehengeblieben … Er kann es gar nicht bemerkt haben … Heute früh, als er nicht zum Frühstück kam, habe ich bei ihm geklopft und dann in sein Schlafzimmer gesehen … Er hat ganz
Weitere Kostenlose Bücher