Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
Vom Netzwerk:
Idee?«
    »Himmel!« flüsterte Valerie. »Sie hat getrunken!«
    »Was?« Forster war entsetzt.
    »Ich erkenne das an ihrem Herumgerede. Eine schwere Zunge hat sie auch. Heute früh hat sie getrunken, vor Aufregung wahrscheinlich. Ich bin ganz sicher …«
    »Fein«, sagte Forster grimmig und leise.
    »Was war, wenn Sie von Ihren Ausflügen heimkamen, Zeugin? Beantworten Sie
nur
meine Frage, haben Sie mich verstanden?«
    »Natürlich habe ich Sie verstanden, Herr Direktor. Also, wenn ich nach Hause gekommen bin, dann war die gnä’ Frau …« Die Agnes wandte den Kopf, schwankte dabei heftiger und sah mit leicht glasigen Augen Valerie an. »Entschuldigen, gnä’ Frau, aber ich muß doch hier die Wahrheit sagen …«
    »Zeugin Peintinger, zum letztenmal! Sehen Sie mich an, wenn Sie sprechen, lassen Sie diese Nebenbemerkungen!«
    »Zu Befehl, Herr Direktor. Die gnä’ Frau war dann oft im Morgenmantel.
    »Im Morgenmantel?«
    »Morgenmantel und Unterwäsche. Und zweimal bin ich in das Schlafzimmer gekommen, da war das Bett ganz zerwühlt. Die gnä’ Frau hat gesagt, ihr war nicht gut, sie hat sich hinlegen müssen.«
    »Zeugin, ist das auch wirklich wahr?«
    »Die heilige Wahrheit, Herr Direktor!« Die Agnes schluckte. »Sehen Sie, ich verehr die gnä’ Frau, wirklich, sie ist die beste gnä’ Frau, die es gibt. Aber eben der Trieb …«
    Valerie starrt die Agnes mit offenem Mund an.
    Forster zupfte an seinem Ohr, als wollte er es abreißen.
    »Was für ein Trieb, Zeugin?«
    »Herr Direktor verstehen schon!« Die Agnes tat verschämt. »Die arme Gnädige. Sie kann ja nichts dafür.«
    »Wofür?«
    »No, für ihre Veranlagung. Mir, Herr Direktor, tun alle Frauen leid, die eine solche Veranlagung haben, daß sie das so brauchen …«
    »Zeugin!«
    »… aber was sollen sie machen? Der Trieb ist stärker! Ich, Herr Direktor, ich bin ja so froh, daß mich das in meinem Leben nie belastet hat. Das kann ich meinem Schöpfer verdanken!« Die Agnes war wieder sehr laut geworden.
    »Zeugin, schreien Sie hier nicht so!« Richter Arnold atmete heftig.
    »Wollen Sie damit sagen, daß Ihre Brotgeberin nymphomanische Züge aufwies?«
    »Was für Züge?«
    »Daß sie andauernd Männerbekanntschaften suchte und fand?«
    »Andauernd nicht. Aber das, was ich erlebt hab, das war doch schon ganz schön, nicht? Der gnä’ Herr, und der Herr Landau, und der Herr Orwin …« Wieder sah die Agnes zu Valerie. »Bitt um Vergebung, gnä’ Frau, aber die Wahrheit muß heraus, nicht?«
    »Ja, die muß heraus«, rief Landgerichtsdirektor Arnold. Jetzt hatte er genug von dieser Zeugin. Wenn es stimmte, was dieses offenbar geistig beschränkte Wesen hier bekanntgab, dann konnte man tatsächlich nicht sagen, wer der Vater dieses Jungen war – der Gatte oder der Liebhaber Orwin oder noch ein anderer Mann … Da taten sich ja Abgründe auf! »Zeugin Peintinger, Sie sind bereit, diese Aussage auf Ihren Eid zu nehmen?«
    Ein Strahlen ging über das Gesicht der Agnes. Jetzt hätten wir es erreicht, Hochwürden, dachte sie.
    »Freilich, Herr Direktor!« Und etwas später sprach sie dann, ganz zart, schwankend, ernst und feierlich, mit erhobener Hand die Schlußformel nach.
    »Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe!«

55
    »Ihr Gesicht war richtig verklärt bei dem Schwur, sagte mir Valerie später«, berichtete Ottilie Landau. Sie saß mit Manuel an einem Fenster des großen, runden Espressos auf dem Cobenzl und erzählte seit einer halben Stunde.
    Manuel, noch sehr erschüttert durch den plötzlichen Tod Forsters, hörte die Frau mit dem harten Gesicht und den schmalen Lippen, die elegant, aber unmodern gekleidet war, wie aus einiger Entfernung sprechen. Er war benommen, und er hatte Kopfweh. Forster ist tot, dachte er. Die Stadt, die er verlassen wollte, hat ihn nicht freigegeben.
    Manuel hatte Tilly Landau von Forsters Ende erzählt. Sie war sehr erschrocken gewesen. Ihre Stimme klang – zum erstenmal, seit Manuel sie kannte – nun weich, warm und fraulich …
    »Es ging also alles gut. Jetzt sollte ein neues Gutachten erstellt werden. Wir hatten wieder eine Runde gewonnen. Und Zeit, Zeit! Nach der Verhandlung machte Valerie der Agnes natürlich Vorwürfe. Die sagte, mein Gott, war sie vergnügt: ›Ja, ich hab was getrunken! Ich hab mir gesagt, diesmal
muß
der Richter mich schwören lassen! Ohne den Schnaps hätte ich solche Sachen über die gnä’ Frau nie herausgebracht. So war mir alles wurscht. Und hat es nicht gewirkt? Ich

Weitere Kostenlose Bücher