Und kein Ende (German Edition)
noch zu überlegen. Ihr Bruder lenkte dann schließlich ein.
„Ich verstehe ja, dass das nicht so einfach geht. Ja das Kind braucht ja auch seine Mutter wenn es von der Schule nach Hause kommt.“
„Wir müssen versuchen die Arbeit untereinander so weit wie es geht aufzuteilen“ schlug ich den Brüdern vor, die in der Mehrzahl schweigend zuhörten.
Die Organisation stellte sich schnell als Farce heraus. Sie fuhr jeden Tag zu ihrem Vater und kümmerte sich um ihn. Die Wäsche transportierte ich hin und her und wenn ihr Bruder der sich für das Einkaufen bereiterklärt hatte einmal keine Zeit hatte dann übernahm sie oder ich das auch. Der jüngste Bruder schaute auch öfters während der Mittagspause vorbei aber um letztendlich nur die Reste des Mittagsessens seines Vaters zu vertilgen.
Die Stimmung ihres Vaters war nur noch gereizt. Die Brüder schienen Ihn auch nach wie vor wegen des Hauses in Thüringen zu belästigen.
„Was will er denn überhaupt. Er kann doch das Haus nicht mit ins Grab nehmen. Er sollte doch froh sein wenn wir uns darum kümmern wollen“
Der Zynismus dieser Brut schien kein Ende zu nehmen.
Zu Ostern wollte ich dem alten Mann ein Nest überreichen. Er schrie mich an und schlug mir das Nest mit den Worten „Was willst Du hier. Du gehörst nicht hier her. Geh’ heim zu Deinen Leuten“ aus der Hand.
Mit dem Klavierunterricht hatte ich vor zwei Jahren begonnen. Es freute mich jeden Dienstag darauf. Meine Hände zitterten beim Vorspiel und die Unterhaltungen über Musik und Bücher waren immer sehr lebhaft. Die Lehrerin war mit einem zehn Jahre älteren Musiker verheiratet. Das Kind aus dieser Ehe war Legastheniker und wohl nicht einfach zu handhaben. Ich hatte mich in diese Frau verliebt aber ich wollte meine Gefühle nicht preisgeben. Ich lebte diese Liebe, die platonischer Natur war, in meiner Phantasie aus. Nach all den Jahren schien sich ein Mensch für meine Person zu interessieren und mir zuzuhören. Das zog mich am meisten an. All diese Gefühle teilte ich einem mir fremden Menschen per E-Mail im Internet mit. Diese Frau, die kurz vor ihrer Hochzeit stand, war von Beruf Lehrerin. Ihr Stil zu schreiben hatte etwas Prosaisches und der Inhalt war geprägt von guten Ratenschlägen und Neugierde. Ich stellte meine Situation in dem Licht dar, wie ich es all die Jahre bewusst als auch unbewusst immer getan hatte. Eine glückliche Familie in der alles harmonisch abläuft und die nun von diesen neuen, zauberhaften Gefühlen meinerseits auf die Probe gestellt wird. Die Frau versuchte mir klar zu machen, dass eine Beziehung von solchen persönlichen Erfahrungen auch profitieren könnte, wenn man diese Gefühle auf die Familie weiter reflektiert. Je mehr ich mich in dieser Gefühlsduselei verhedderte umso mehr wurde mir mein wahres Schicksal bewusst. Ich musste an die Frage des Arztes denken: „Haben sie Probleme in der Partnerschaft?“ – „Ja !!!“
Am Abschluss des Schuljahres entließ mich die Klavierlehrerin mit einem langen Monolog.
„Ich bin seit vielen Jahren mit meinem Mann glücklich verheiratet. Und trotzdem gibt es immer wieder Männer die mich menschlich interessieren. Nein, es ist nicht so, dass diese mich körperlich anziehen würden. Es ist einfach nur ihre Geschichte oder ihre Art zu leben. Ich finde diese Menschen dann einfach nur interessant und möchte mehr von ihnen erfahren. Neulich erst habe ich auf einem Gartenfest einen Wissenschaftler mit einer höchst ungewöhnlichen Biographie kennen gelernt. Aber ich könnte von mir nicht behaupten, dass ich sonst irgendwelche Gefühle zu diesem Menschen hätte. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Ich finde sie als Menschen interessant.“
Die Klavierlehrerin drückte mir die Hand und entließ mich in die Ferien. Ich war betroffen und traurig. Mir viel folgende Äußerung zu meiner Person ein: „Fachlich sind sie ganz gut. Aber menschlich?“
Menschen waren halt nicht mein Ding. Warum das so ist, oder wie es kam kann ich nicht sagen. Ich war dann noch einige Jahre bei dieser Frau im Klavierunterricht. Aber ich ließ mich auf keine Gespräche mehr ein und war auch sehr reserviert. Ich glaube ich habe diesem Menschen damit weh’ getan.
Mein Schwiegervater starb im Sommer. Sie war dabei, als der alte Mann plötzlich im Garten taumelte, umfiel und nicht mehr aufwachte. Sie hatte ihn im Notarztwagen noch ins Krankenhaus begleitet. Ich fuhr sofort von der Arbeit nach Hause und holte sie aus
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