Und keiner wird dich kennen
aus den Fächern irgendwelche hineingestopften Kinderpullis entgegen, das nervt! Maja tritt auf ein spitzes Plastikteil, das zu einem der Weltraumritter gehört, flucht, zerrt eine frische Jeans und irgendein Top aus dem Schrank und schwört sich, möglichst bald in München Klamotten kaufen zu gehen. Dazu war bisher keine Zeit.
»Alissa? Alles klar?« Ihre Mutter kommt aus der Küche herüber, der Duft von angebratenem Gemüse umgibt sie.
»Nein, es ist nicht alles klar!« Der Frust bricht aus Maja heraus, und sie versucht nicht mehr, ihn zu unterdrücken. »Ich habe kein eigenes Zimmer und gerade mal ein einziges Paar Schuhe! Bin ich denn Aschenputtel, oder was?«
»Bist du nicht, soweit ich weiß.« Ihre Mutter unterdrückt ein Lächeln. »Darf ich daraus folgern, dass ein Ball stattfindet und du mit einem Prinzen tanzen willst?«
»Zieh den Prinzen ab und mach ’ne Party draus«, gibt Maja bitter zurück.
»Magst du mal bei meinen Sachen schauen?«, flüstert Lila, und Maja huscht hinüber. Lila hat sich in einer Hauruck-Aktion im zweiten Schlafzimmer ein kleines Büro eingerichtet mit Schreibtisch, Regalen und Aktenschrank, dort schreibt sie auf ihrem Laptop an ihrem Roman. In ihrem Kleiderschrank herrscht zwar ebenfalls Ebbe, aber zehn Minuten später hat Maja trotzdem ein halbwegs cooles Outfit zusammen. Sie gibt Korbinian das Geld für das Buch, dann können sie und die anderen los.
Das hell erleuchtete Einfamilienhaus im Eisvogelweg sieht fast nach einer Villa aus, Bens Eltern scheinen nicht gerade arm zu sein. Bässe dröhnen aus dem Keller. Zwei Erwachsene, vermutlich Bens Eltern, steigen gerade in ein Auto, winken Johanna und Korbinian lächelnd zu und fahren dann los. Die machen sich aus dem Staub. »Das ist also seine Mutter – woher ...?«, beginnt Maja.
»Sie ist Japanerin«, erklärt Korbinian, dann geht schon der Begrüßungstrubel los. Ben lächelt warm, als er Maja sieht. »Schön, dass du gekommen bist«, sagt er einfach. Ob er mitgekriegt hat, dass sie beinahe daheim geblieben wäre?
Die Party ist schon voll im Gange, überall stehen Leute mit Bierflaschen in der Hand, auf den mit großen bunten Tüchern abgedeckten Sofas und dem Teppich des Wohnzimmers sitzen Mädchen – darunter Paloma – mit Tellern in der Hand. Wie schafft Paloma es, sich so vollzustopfen und trotzdem dermaßen schlank zu bleiben? Das Leben ist nicht fair.
Musik dröhnt durchs ganze Haus, im Keller wird anscheinend getanzt. Sämtliche Geschenke stapeln sich unbeachtet auf einem Nebentisch, auch das von Maja.
So viele fremde Gesichter. Ein paar Leute aus ihrer Klasse sind dabei, aber nicht viele, die meisten hat Maja noch nie gesehen. Maja holt sich ein paar Chicken Wings, Kartoffelsalat und eine saure Gurke vom Buffet, dann versucht sie sich zu den Mädchen im Wohnzimmer zu setzen, sich nach und nach ins Gespräch einzuklinken. Sie mag Paloma zwar nicht sonderlich und hat das Gefühl, dass das auf Gegenseitigkeit beruht, aber vielleicht hat sie ja verborgene Qualitäten.
Paloma nickt ihr zu, lächelt kurz, redet dann weiter: »... und dann hab ich ihm gesagt, vergiss es einfach, ich habe keinen Bock auf Fußball, und ihr könnt euch nicht vorstellen, was er dann gesagt hat ...«
Es ist fast alles Tratsch über Leute, die Maja nicht kennt. Keine Chance, auch etwas zum Gespräch beizutragen. Sie hält Ausschau nach Ben, Johanna und Korbinian, doch die sind nicht in Sicht. Vielleicht unten, beim Tanzen.
Ihr Glas ist leer, aber das kann sie ja ändern. Maja wandert an einem knutschenden Paar vorbei in die noble Küche mit den Holzschränken und den polierten Kupferpfannen an der Wand; aha, dort steht Ben und fachsimpelt mit ein paar anderen Jungs über Computerspiele.
Als er sie sieht, lächelt er ihr zu und lässt die anderen stehen, die Maja mit neugierigen Blicken mustern. »Na, alles klar mit dir? Magst du noch was trinken? Wie wär’s mit einem Cocktail?«
Geschickt mixt Ben ihr einen Tequila Sunrise, und Maja bestaunt ihn gebührend: »Schön bunt, schmeckt bestimmt auch gut.«
Sie hätte gar nichts dagegen gehabt, noch länger mit Ben zu quatschen, doch schon fragen andere Gäste ihn nach mehr Chips und berichten, dass drüben jemand sein Bier verschüttet hat. Ben tritt in Aktion. Na klar, auf solchen Feiern hat der Gastgeber nie Zeit. Die anderen Jungs unterhalten sich über Starcraft II und haben Maja schon längst wieder vergessen.
Maja trinkt schweigend ihren Cocktail, dann driftet sie
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