Und keiner wird dich kennen
Himmel geklettert ist. Maja staunt selbst über ihren Mut – Alissas Mut. »Und jetzt?«, fragt sie Stella und klammert sich mit der einen Hand an den Kabeln fest. Mit der anderen zieht sie die Taschenlampe aus ihrer Jeans und lässt den Lichtkegel über die senkrechten Schienen an der Wand spielen. Dann beleuchtet sie Stella, und Maja sieht, dass sie ein längliches gelbes Kunststoffkästchen mit roten und grünen Knöpfen in der Hand hält, es ist über Kabel mit dem Aufzug verbunden. Vermutlich eine Art Fernsteuerung für Wartungszwecke.
»Jetzt?« Stella lacht. »Es geht los!«
Sie drückt einen Knopf auf der Fernsteuerung und der Aufzug setzt sich ganz plötzlich in Bewegung. Der metallene Boden hebt sich unter Majas Füßen, katapultiert sie nach oben, und unwillkürlich stößt sie einen Schrei aus, der im viereckigen Schacht widerhallt. Nach Halt suchend, klammert sie sich an Stella, deren »Yeaaaaah!« sich in den Schrei mischt.
Mit einem Ruck, der Maja beinahe endgültig aus dem Gleichgewicht bringt, hält der Aufzug an, sie hört das leise Schleifen von Türen, die auseinandergleiten.
»Na, ist das nicht besser als Achterbahn?«, ruft Stella, die sich nicht mal festgehalten hat. »Zwanzig Stockwerke, deshalb hat der Aufzug ’ne ordentliche Beschleunigung drauf. Und, wieder runter? Das fühlt sich auch lustig an.«
Majas Herz hämmert, aber es ist seltsam – Angst hat sie nicht wirklich. Obwohl sie doch sonst so viele Dinge halb in Panik versetzen, dieses Aufzugfahren erschreckt sie kaum. Vielleicht, weil sie sich hier nicht hilflos fühlt. Diese Gefahr kommt nicht von außen, sie hat selbst Kontrolle darüber.
»Und los!«, ruft Maja übermütig.
Diesmal hat sie einen besseren Stand, etwas breitbeinig, damit sie das Gleichgewicht halten kann. Stella drückt ihr den Steuerkasten in die Hand und Maja lässt den Aufzug nach unten und oben gleiten. »Hey, cool, das macht Spaß!«
»Sag ich doch.«
Ein bisschen erschreckend wirkt nur das Gegengewicht – es fährt in entgegengesetzter Richtung wie die Kabine hin und her, um das Gewicht des Aufzugs auszugleichen. Lautlos gleitet der riesige Metallklotz neben ihnen durch den Schacht, gehalten von dicken Stahlkabeln. Stella packt Maja am Ärmel. »Wenn wir in der Mitte sind, kreuzen sich Kabine und Gegengewicht. Halt dich weg von dem Ding.«
»Okay«, sagt Maja gehorsam, und der Klotz gleitet ohne Zwischenfall an ihnen vorbei.
Das Easy-Rider-Spiel macht so lange Spaß, bis Maja einmal zu ruckartig die Richtung wechselt, dabei hastig nach einem Halt greift und versehentlich die Taschenlampe fallen lässt – während der Fahrt. Maja hört, wie sie an den Rand des Aufzugs kullert, dann gibt es ein ekliges Knirschen, und der Fahrstuhl kommt zum Stehen.
»Shit, was war denn das?«, fragt Stella, und Maja gibt verlegen zu: »Äh, ich fürchte, meine Taschenlampe.«
Es ist kurz vor Mitternacht, und sie sitzen zwischen dem siebzehnten und dem achtzehnten Stock fest.
Lorenzos Hände haben sich selbstständig gemacht, schieben den Saum des Lederkleides noch weiter hoch, gleiten über Nataschas Hintern. Sie trägt nichts drunter, wow, das hier muss ein Traum sein. Seine Lippen berühren ihren Hals, und Natascha legt den Kopf nach hinten, bietet ihm die Kehle dar, als sei er ein Vampir und warte nur darauf, ihr Blut zu trinken. Ihre Haut fühlt sich heiß und verschwitzt an und ein Duft von Orchideen steigt ihm in die Nase.
Natascha flüstert etwas, er versteht es nicht, fragt »Was?«, und sie wiederholt lauter: »Maja wird es nie erfahren, sie ist ja sowieso weg ...«
Maja. Ihr Name funktioniert wie eine Zauberformel, kaum ist er laut ausgesprochen, da muss er auch schon an sie denken, an ihre schönen, manchmal so traurigen Augen, daran, wie nah sie sich immer waren, wie es sich anfühlte, sie ganz fest in den Armen zu halten. Selbst wenn er es wollte, er könnte die Gedanken an Maja nicht mehr wegschieben. Denken Sie jetzt nicht an einen weißen Elefanten . Funktioniert einfach nicht.
Seine Lust auf Natascha ist weg, als hätte jemand einen Stopp-Schalter betätigt. Natascha begreift, was ihr Fehler war, und versucht zu retten, was geht. Doch als sich ihre Hand auf seine Hose zubewegt, steht Lorenzo abrupt auf. »Wo ist denn hier das Bad?«
Natascha kneift die Lippen zusammen, deutet mit dem Kinn die Richtung an. Im kleinen Bad, in dem mit Schleifstaub verdreckte Eimer und Blechflaschen mit Steinpolitur stehen, lässt sich Lorenzo kaltes Wasser
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