Und keiner wird dich kennen
muss Maja kichern. »Die gucken bestimmt dumm aus der Wäsche, wenn zwei Mädchen nachts in einem Bürogebäude aus einem Aufzug gerettet werden wollen ... nee, vom Dach eines Aufzugs!«
Stella lacht, dann sagt sie: »Das müssen die nicht mitkriegen, wir können ja vorher runterklettern. Trotzdem. Die würden die Bullen rufen.«
»Scheiße.« Niedergeschlagen setzt sich Maja, ihre Knie fühlen sich wackelig an.
Doch Stella denkt gar nicht daran, aufzugeben. »Wir können noch einen Versuch machen, die Kabine in Bewegung zu setzen. Die Tür des siebzehnten Stocks ist nicht mehr sooo weit entfernt. Wenn wir den Aufzug noch ein Stück nach oben bekommen ...«
Angespannt wartet Maja, während Stella die Fernbedienung nimmt. Ganz langsam und vorsichtig versucht sie, die Aufzugkabine nach oben oder unten zu bewegen. Tatsächlich, sie bekommt es hin, dass der Fahrstuhl noch ein Stück nach oben kriecht, bevor er sich wieder verklemmt. Vielleicht kommen sie jetzt an die Aufzugtüren des achtzehnten Stockwerks heran.
»Mach mir mal ’ne Räuberleiter«, bittet Stella, und mit klopfendem Herzen faltet Maja die Hände. Ihre Freundin stellt einen Fuß in Majas Hände, stößt sich ab und tastet an den Wänden herum, die Taschenlampe hat sie sich zwischen die Zähne geklemmt. Maja ist erstaunt, wie leicht Stella sich heben lässt, ihr Körper wirkt wie eine gespannte Stahlfeder. »Ich glaube, das schaffen wir«, murmelt Stella. Maja hört ein metallisches Klacken. »Hab die Aufzugtüren entriegelt. Das geht von hier drin ganz leicht.«
Nach kaum einer Minute hat sie die Türen auseinandergeschoben und Maja sieht eine dunkle Öffnung über ihnen.
»Na also! Willkommen im achtzehnten Stock!«, ruft Stella.
»Meinst du, wir kommen da hoch?« Maja betrachtet die Öffnung skeptisch.
»Klar. Los, ich habe keine Lust, die Nacht hier oben zu verbringen.« Stella macht den Anfang, lässt sich noch einmal von Maja nach oben helfen, zieht sich an der Kante der Öffnung hoch und wälzt sich hindurch. Jetzt ist Maja ganz allein auf dem Dach des Aufzugs – ein unheimliches Gefühl.
»Bist du oben? Alles okay?«, ruft Maja besorgt. Oben geht das Licht im Treppenhaus an, endlich sehen sie wieder etwas.
»Bestens. Jetzt du!«
Eine Hand streckt sich ihr entgegen. Maja ergreift sie und versucht sich mit den Füßen an den Seiten des Aufzugs abzustützen. Sie keucht. Hoffentlich schafft Stella es, sie zu halten! Doch dann kann sie schon mit der anderen Hand die Kante greifen, und irgendwie bringt sie es fertig, ins Treppenhaus zu kriechen. Stella hat sie an den Klamoten gepackt, hält sie immer noch fest und unbeschadet stehen sie gleich darauf im Korridor des Bürogebäudes. Es dauert eine Weile, bis sie über die Feuertreppe im Erdgeschoss angelangt sind, aber dann stehen sie endlich am Eingang. Stella tippt hastig den Code ein und dann atmet Maja tief die kalte Nachtluft ein. Triumphierend flüstert Stella: »Gimme five!«, sie klatschen sich ab und machen sich mit schnellen Schritten auf den Weg zur nächsten S-Bahn-Station. Jetzt, da die Gefahr überstanden ist, durchflutet Maja ein unglaubliches Hochgefühl. So muss man sich nach einem Bungee-Sprung fühlen.
Aber ein schlechtes Gewissen hat sie auch. »Fürchte, du musst dir für deine nächsten Easy Rides ein neues Gebäude suchen«, sagt Maja. »Tut mir echt leid, das mit der Taschenlampe.«
»Kein Problem.« Stella grinst sie an. »Trotzdem schön, dass du dabei warst. Du bist übrigens der einzige Mensch, den ich je mitgenommen habe.«
»Ich fühle mich geehrt«, sagt Maja von ganzem Herzen und merkt, wie sie feuchte Augen bekommt. Stella ist wirklich eine ganz besondere Freundin – was für ein Glück, dass die Leute vom Opferschutzprogramm ausgerechnet Olching für sie ausgesucht haben, sonst hätten sie sich nie kennengelernt!
Bei Stella angekommen, hat Maja kaum noch die Energie, sich die Zähne zu putzen. Todmüde lässt sie sich neben dem Bett auf die Gästematratze fallen, und dabei gleitet ihr Blick unabsichtlich nach oben, zu dem Bild mit dem schwebenden Auge. Maja wälzt sich zur Seite, sagt zu Stella: »Gute Nacht, Süße!«, und vergräbt den Kopf im Kissen.
Sie will dieses Bild nicht sehen, es fühlt sich an, als würde es sie beobachten.
Fast berühmt
Beim Basketballtraining wundert sich Lorenzo, warum sein Trainer, Herr Martens, ihn so anstrahlt. Er muss nicht lange warten, bis er den Grund erfährt. »Stell dir vor, gestern war ein Talentscout
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