Und keiner wird dich kennen
dann zieh nichts allzu Buntes an, okay?«
»Im Klartext: schwarze Klamotten?«, gibt Maja zurück, ihr Puls beschleunigt sich.
»Ach ja, und du könntest eine Taschenlampe einstecken.«
»Wir kommen aber nicht in den Knast für das, was du vorhast, oder?«
»Bestimmt nicht«, sagt Stella und grinst.
Der Loft von Nataschas Eltern ist eine ehemalige Fabrikhalle am Stadtrand, die sich einige Künstler ausgebaut und aufgeteilt haben. Interessiert betrachtet Lorenzo die mannshohe steinerne Stele am Eingang, der Name von Nataschas Vater ist darin eingraviert. Hätte aussehen können wie eine Art Grabstein, wirkt aber schlicht und edel, Lorenzo ist beeindruckt. Mit einem Lächeln öffnet Natascha ihm die Metalltür. Sie trägt ein Minikleid aus schwarzem Leder und High Heels – aufgestylt bis zu den Augenbrauen.
»Falls sich das Outfit nicht gut fotografieren lässt ... ich habe noch zwei andere dabei«, sagt Natascha, es klingt, als warte sie auf etwas. Doch Lorenzo spart sich das Kompliment – sie weiß selbst, dass sie umwerfend aussieht, und vermutlich hört sie das ohnehin oft genug. Bei einem Casting-Wettbewerb hätte Maja keine Chance gegen sie gehabt, aber Maja hat eine ganz andere Ausstrahlung, er mag ihre Klugheit, ihr Lächeln, ihre Verletzlichkeit. Er nickt einfach, tritt ein und schaut sich um. In der riesigen, fast leeren Halle verteilte Spotlights beleuchten die halb fertigen Statuen im Raum. Um eine davon liegen Steinsplitter und Steinbrocken verstreut, wahrscheinlich arbeitet Nataschas Vater zurzeit daran. Ein trockener, staubiger Geruch hängt in der Luft.
Es ist kühl hier drinnen, wahrscheinlich ist es unmöglich, ein so großes Atelier zu beheizen. Aber ein Heizlüfter spuckt einen Strom warmer Luft aus, der genau auf ein Sofa mit einer unechten Pantherfelldecke gerichtet ist.
»Am besten, wir fangen an dieser Statue an«, sagt Lorenzo, stellt seine Nikon ein und packt die zusätzliche Lampe aus, die er mitgebracht hat. Der helle Stein und das schwarze Lederkleid – die kantige Form und die geschwungenen Linien ihres Körpers –, das gibt einen reizvollen Kontrast. Natascha drapiert sich über den Stein, lehnt sich seitlich dagegen, ändert alle paar Sekunden die Pose, er kommt kaum mit. Ihre lange dunkelbraune Mähne hängt über dem hellen Stein, das wird ein cooler Shot. Klick, klick, klick, Lorenzo hört auf zu denken, reagiert nur noch, gibt manchmal knappe Anweisungen. Natascha legt sich nach hinten auf den Stein, ihr Rücken ist durchgebogen, ihr Lächeln lasziv. Sie gibt sich Mühe für ihn, vielleicht gerade deswegen, weil er nicht so auf sie reagiert, wie die anderen Jungs es tun. Klar, es sieht sexy aus, doch irgendetwas fehlt. Es ist zu perfekt. Zu glatt.
»Verwuschel mal deine Haare, greif mit beiden Händen hinein, ja, so ist es gut«, kommandiert Lorenzo. »Und jetzt fahr dir mal mit den Händen durchs Gesicht.«
Zögernd folgt Natascha seinen Anweisungen, wahrscheinlich hat sie Angst um ihr Make-up. Doch sie darf nicht nachdenken, nicht jetzt. Schon fängt sie wieder an zu posieren.
»Wen willst du mit deinen Barbie-Posen beeindrucken?«, stichelt Lorenzo, lässt die Kamera sinken.
»Barbie-Posen?« Natascha funkelt ihn an. Aber sie beherrscht sich, versucht stattdessen, es besser zu machen, stellt sich anders hin, dreht sich, wendet sich. Das wirkt alles viel zu kontrolliert, es gibt nur eine Lösung, er muss sie weiter reizen!
»Ist dieses einfallslose Gehabe alles, was du draufhast?«
»Hey, geht’s noch?«, faucht sie zurück. Jetzt endlich hat sie vergessen, dass sie schön sein soll, und das ist gut so. Ihr Blick lodert wie eine Flamme, jetzt endlich ist in ihrem Gesicht echter Ausdruck. Wunderbar wild wirkt sie jetzt. Klick, klick, klick, Lorenzo fotografiert wie im Fieber. Das Lederkleid ist über ihre Schenkel hochgerutscht, ihr Ausschnitt aus dieser Perspektive unglaublich tief, cremefarben schimmern ihre Brüste ihm entgegen. Lorenzos Atem geht schnell.
Als er endlich »Pause« sagt, klingt seine Stimme heiser. Sie lassen sich nebeneinander auf das Sofa fallen, und Lorenzo versucht sich vorzustellen, wie sich dieses samtige schwarze Fell wohl an der nackten Haut ihrer Schultern anfühlt. Als Natascha auf ihn zukriecht, sich an ihn schmiegt und ihm ihr Gesicht entgegenhebt, weiß Lorenzo, dass er ernsthaft in Schwierigkeiten ist.
Maja hat ihre Mutter dazu überredet, sie von Freitag auf Samstag bei Stella übernachten zu lassen. Aber geschlafen wird
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