Und keiner wird dich kennen
herumlungern, in dem womöglich auch ihre Mutter gerade irgendetwas macht?
Niedergeschlagen setzt sich Maja einen Früchtetee mit Vanillearoma auf und wartet darauf, dass es so weit ist und Stella bei ihnen klingelt.
»Kann ich einen Keks haben?«, quengelt Elias.
»Nein, du hattest schon zwei, soweit ich das mitbekommen habe«, informiert ihn Maja.
»Ach, Kacke!«
»Gelbe Karte«, sagt Maja abwesend. »So, und jetzt geh irgendwas spielen, okay? Ich bekomme gleich Besuch.«
Da klingelt es auch schon. Maja zuckt zusammen. Wenige Sekunden später steht Stella in der Tür, die Wangen gerötet von der kalten Luft, die Augen strahlend und das Haar eine wilde, dunkle Wolke um ihren Kopf. »Na, du? Alles klar?« Sie und Maja umarmen sich.
»So, jetzt erst mal ’ne Tour durch die Wohnung, achten Sie auf den privaten Swimmingpool und die von berühmten Designern ausgestatteten Räume«, verkündet Maja, nachdem Stella sich die Regenjacke ausgezogen hat. »Hier sehen Sie die Wohn-Lounge mit der High-End-Unterhaltungselektronik.«
Stella betrachtet den alten Röhrenfernseher und grinst.
Maja öffnet die Tür zu ihrem Zimmer. »Und hier ist meine Unterkunft, in der gleichzeitig auch mein persönlicher Assistent lebt, um mir Wünsche sofort von den Augen ablesen zu können.« Irgendwo in der Wohnung prustet Elias los.
Stella stutzt, blickt sich in dem Zimmer um, schaut dann Maja an. »Hey, das ist deutlich besser als die Besenkammer von Harry Potter«, sagt sie, und Maja muss immerhin ein bisschen lachen. Stella legt den Arm um Maja und drückt sie, wahrscheinlich kann sie sich denken, wie Maja sich jetzt fühlt.
Sie schaffen es trotzdem irgendwie, es sich im Zimmer gemütlich zu machen, und fläzen sich auf dem zur Couch umfunktionierten Bett. Falls sich Stella darüber wundert, wie wenig Sachen Maja besitzt, dann sagt sie nichts darüber. Stattdessen bewundert sie Majas Vogelfedersammlung, dreht das spanische Kästchen in den Händen und lässt die Finger über die Rücken der sechs Bücher im Regal gleiten – ihre Zahl hat sich seit ihrer Ankunft in Olching immerhin verdoppelt. »Cool, du hast den ersten Band von Cassia & Ky – kann ich mir den mal ausleihen?«, fragt sie und blättert das Buch durch.
»Ja, klar, gerne«, sagt Maja und freut sich darüber, dass Stella sogar einen ähnlichen Lesegeschmack hat.
Doch dann stutzt Stella. »Oh, ich glaube, du hast das Buch selbst ausgeliehen ... dann nehme ich es besser nicht mit, oder?«
»Wieso?«, fragt Maja, doch dann kapiert sie, was los ist, und der Schreck fährt ihr in die Knochen. In dem verdammten Buch steht vorne mein alter Name! Ich habe vergessen, ihn zu übermalen! Jetzt kann sie nur noch versuchen, zu retten, was zu retten ist. »Ach so, das meinst du. Das Buch hat mir eine Freundin sozusagen vererbt, sie hat es bei sich aussortiert.«
Kaum ausgesprochen, würde sie die Worte am liebsten wieder zurückrufen. Blöd, blöd, blöd! Wieso habe ich nicht behauptet, dass ich es auf dem Flohmarkt gekauft habe? Das wäre viel glaubwürdiger gewesen!
Stella blickt neugierig drein, liest es laut vor. » Maja Köttnitz . Eine deiner Freundinnen aus Gießen? Habt ihr noch Kontakt?«
»Hin und wieder«, sagt Maja, und sie hört selbst, wie falsch das alles klingt, wie gequält. Besonders gut lügen konnte sie noch nie und ausgerechnet Stella anzulügen ist furchtbar, sie bringt es kaum über sich.
Stella schaut auf, ihr Blick ist zurückhaltend, wachsam irgendwie. Spürt sie, wenn Maja nicht die Wahrheit sagt? Hat sie Verdacht geschöpft? Stella setzt an, etwas zu sagen, doch zum Glück fängt Elias jetzt drüben im Wohnzimmer an, Flöte zu üben. Das macht er sonst nie freiwillig, aber jetzt will er sie vermutlich nerven.
»O Mann«, stöhnt Maja und geht rüber, um ihrem kleinen Bruder die Flöte abzunehmen. Doch Lila ist ihr zuvorgekommen. »Finn, komm, wir gehen zusammen auf den Ringstraßenspielplatz«, sagt sie rasch. Lieb von ihr. Ein paar Minuten später ziehen die beiden los und es ist wieder still in der Wohnung.
Doch die Stimmung ist nicht mehr die gleiche, und das Funkeln und Schimmern, das Stella so oft um sich herum verbreitet, für heute erloschen. Obwohl sie noch eine Weile quatschen, verabschiedet sich Stella früh.
»Muss noch Mathe üben«, sagt sie, und ungläubig starrt Maja sie an. Mathe üben? Stella? Die macht doch sonst nicht gerade viel für die Schule und hat trotzdem gute Noten. In Wahrheit hat es ihr hier nicht gefallen,
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