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Und keiner wird dich kennen

Und keiner wird dich kennen

Titel: Und keiner wird dich kennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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persönliches Treffen.
    Sein Puls beschleunigt sich. Das ist seine Chance! Endlich!
    Wann wird der Junge aufbrechen? Würde er riskieren, die Schule zu schwänzen? Vermutlich nicht, wenn er auch am Wochenende fahren kann. Das heißt, er muss ihn jetzt an den Freitagen und Samstagen rund um die Uhr überwachen, damit er nicht entwischt. Mit etwas Glück führt der Junge ihn dann direkt zu der Frau, die er liebt ... Wie Lila wohl dreinschauen wird, wenn er ihr gegenübersteht? Die Vorfreude nimmt Robert fast den Atem. Aber was ist, wenn sie ihn wieder ablehnt, wenn sie nicht einsieht, was für ein Fehler die Trennung war? Besser, er nimmt ein Messer mit.
    Aber noch ist es nicht so weit, es gibt eine Menge zu organisieren. Er muss sein Äußeres verändern, es ist ungünstig, dass der Junge ihn schon einmal gesehen hat. Außerdem gilt es organisatorische Fragen zu klären. Was ist, wenn der Junge mit dem Auto fährt, zum Beispiel über die Mitfahrzentrale? Besser, er baut jetzt schon mal den Kontakt auf. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Junge die Bahn nimmt. Wie könnte man ihm folgen, wenn er mit unbekanntem Ziel in einen ICE steigt? Was ist mit der Fahrkarte? Wenn er ohne Ticket kontrolliert wird, erregt das Aufmerksamkeit, und die kann er nicht gebrauchen.
    Alles Probleme, die sich lösen lassen. Beim Gedanken, dass er jetzt endlich vorankommt und Lila vielleicht bald wieder bei ihm ist, kribbelt sein ganzer Körper. Wird sie sich entschuldigen für das, was sie ihm angetan hat? Da ist viel zusammengekommen. Nicht nur das mit der Polizei. Einmal, als sie noch zusammen waren, hat sie ihn geohrfeigt, als er ein bisschen grob geworden ist ... das hat sie noch nicht gebüßt. Vor seinem inneren Auge sieht Robert, wie er Lila zur Strafe die Fingerkuppen dieser Hand abschneidet, alle fünf. Es ist eine sehr hartnäckige Fantasie, und es dauert eine Weile, bis er sie unterdrückt hat.
    Bestens gelaunt ruft Robert seinen Freund Milan an. Der hat erstklassige Kontakte und kann eigentlich alles besorgen, auch das Nachtsichtgerät hat er schon für Robert organisiert.
    Und dann ist es endlich so weit. An einem Wochenende, wie er schon geahnt hat. Robert schlendert hinter dem Jungen her, als der ins Gewimmel am Frankfurter Hauptbahnhof eintaucht, ein Slalom um Frauen mit Riesenkoffern, junge Leute mit prallen Backpacks und Geschäftsreisende herum. Ein Junkie mustert den Jungen mit verstohlenem Blick und wechselt kaum merklich den Kurs, geht auf ihn zu, wird den Jungen vermutlich gleich anrempeln, ganz zufällig natürlich ... Verdammt, das geht nicht! Ohne Ticket und Geld muss der Junge die Reise abbrechen. Robert geht schneller, bis er nur noch ein paar Schritte hinter dem Jungen ist, und schickt ein paar drohende Blicke ab. Der Junkie überlegt es sich noch mal anders und schlurft davon, um jemand anderen zu beklauen. Natürlich hat der Junge von all dem nichts mitbekommen.
    Er hat nur einen Rucksack dabei, anscheinend wird er nicht lange bleiben. Nervös sieht er sich um und einen Moment lang ist Robert angespannt – hat er sich ausreichend verändert? Seine Haare sind jetzt kurz und dunkel, er hat sich einen Dreitagebart wachsen lassen und trägt eine Outdoorjacke, die er vor ein paar Tagen in der Stadt erworben hat. Darunter zwei Pullover übereinander, um seine Silhouette zu verfremden. Die derben, ebenfalls neuen Stiefel verändern seinen Gang – hofft er jedenfalls. Und tatsächlich, der Blick des Jungen gleitet ohne Erkennen über ihn hinweg, na also!
    Jetzt hebt der Junge den Kopf, mustert die Tafel, auf der die abfahrenden Züge gelistet sind, und geht dann zum Gleis 22. Soso, Richtung Bremen. Bisher läuft alles nach Plan und Robert glüht innerlich vor Freude. Er kann es kaum noch erwarten.
    Im Abstand von zwanzig Metern warten sie am selben Gleis. Schließlich fährt der Zug ein, Robert macht sich bereit zum Einsteigen ... doch im letzten Moment sieht er verblüfft, dass der rothaarige Junge lossprintet. Zu einem ganz anderen Gleis. Verdammt, das mit dem Zug nach Bremen war eine Finte! Wenn er jetzt ebenfalls losrennt, verrät er sich. Robert zwingt sich, dem Jungen nur mit schnellen Schritten zu folgen. Als der Junge sich umdreht, gibt er vor, auf dem großen Monitor die Nachrichten zu verfolgen.
    Der Junge sprintet zu einem ICE, schon verschwindet er darin. Endlich kann auch Robert losrennen. Zu spät? Schon verkündet eine Ansagerin: »Am Gleis 18 bitte einsteigen ...«, gleich werden sich die

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