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Und meine Seele ließ ich zurueck

Und meine Seele ließ ich zurueck

Titel: Und meine Seele ließ ich zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jérôme Ferrari
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und weint.
    Capitaine Degorce fährt ihm zärtlich, beinahe väterlich durchs Haar.
    – Oh, aber das, das weiß ich doch bereits! Dies zuzugeben war gar nicht vonnöten, ich bin kein Idiot, wissen Sie! Das reicht nicht, Abdelkrim, das reicht ganz und gar nicht.
    (Nein, das reicht nicht, und die Übelkeit reicht nicht, auch nicht der Geschmack von Fäulnis im Mund. Es muss weitergemacht werden. Am Jüngsten Tag wirst du die Gerechten an deine Rechte rufen. Wirst du Abdelkrim rufen? Und ich? Was wirst du aus mir machen? In welchen Höllenkreis wirst du mich abschieben wollen, zwischen die Verdammten welcher Gattung?)
    Abdelkrim liefert eine Adresse. Eine Straße im Europa-Viertel, in der Nähe vom Telemly.
    – Wen werde ich dort vorfinden?, fragt der Capitaine.
    – Ich weiß es nicht!
    – Vielleicht weiß es Ihre Schwester? Oder Ihre Mutter? Sie wird es wissen, was?
    – Nein! Bei Gott, ich weiß es nicht. Ich schwöre es Ihnen! Ich weiß nur, dass es eine Adresse ist, die wir verwenden. Ich schwöre es bei Gott!, brüllt Abdelkrim, während er sich an den Drillich des Capitaine klammert.
    – Nur ruhig, ich glaube Ihnen ja. Nur ruhig! Ich werde selbst nachsehen gehen.
    Aber Abdelkrim kann nicht aufhören zu weinen und zu zittern.
    – Eines noch und dann lass ich Sie. Drei Namen. Derjenige, der Sie rekrutiert hat, die beiden, die Sie selbst rekrutiert haben.
    Abdelkrim liefert drei Namen. Capitaine Degorce erhebt sich und klopft an die Tür, um Sergeant Febvay zu rufen. Abdelkrim steht noch immer unter Tränen.
    – Sergeant, lassen Sie ihn nicht allein, bitte. Keine Sekunde lang. Nicht, dass er uns noch irgendwelche Dummheiten macht.
    Der Capitaine kniet nah vor Abdelkrim nieder.
    – Ihre Schwester und Ihre Mutter werden niemals von uns reden hören. Sie haben mein Wort darauf.
    Abdelkrim weint noch heftiger.
    *
    – Moreau, einen Wagen und zwei Männer. Wir werden eine kleine Runde nach Telemly machen. Abfahrt in zwanzig Minuten.
    Capitaine Degorce versieht das auf dem Organigramm mit einer Nadel festgesteckte Foto von Abdelkrim mit einem roten Kreuz. Er schreibt die Namen, die er soeben erfahren hat, in die angrenzenden leeren Felder und gibt sie an den Führungsstab weiter. Er fühlt sich leer und desorientiert. Er setzt sich auf seinen Schreibtisch und zündet sich eine Zigarette an, die er umgehend wieder ausdrückt. Er greift nach Jeanne-Maries Brief und reißt beinahe noch in derselben Bewegung den Umschlag auf. »André, mein Kind, mein Geliebter, wir denken so viel an Dich ...« Er legt den Brief zurück, seufzt und fährt sich mit der Hand übers Gesicht. Die Erleichterung, die ihn eben überkommen hat, verschwindet schnell wieder und wieder fühlt er sich allein, irregeführt in den Dämmerschlaf einer so radikalen Müdigkeit, dass sie ihm unheilbar erscheint. Er richtet seine Augen auf das Organigramm. Er versucht, sich einzureden, dass jedes rote Kreuz eine Bombe darstellt, die nicht hochgehen wird. Er versucht, an all jene zu denken, deren Leben gerettet worden ist und die es nie erfahren werden. Aber alles verharrt fern und abstrakt und es gelingt ihm nur, einige wenige vage Phantombilder ohne Gesichtskonturen heraufzubeschwören.
    (Man kann die geretteten Leben nicht zählen, man kann nur die Toten zählen. Ich bin es so leid, die Toten zu zählen. Meine Ohnmacht ist grenzenlos.)
    Er wurde in der Stationierung einer souveränen mathematischen Logik mitgerissen. Waren die Größen des Problems einmal klar erkannt, wurde jede Folgerung streng aus der vorhergehenden Folgerung gezogen und Capitaine Degorce sieht sich gezwungen, zugeben zu müssen, dass sich diese prächtige Verkettung mit der Autorität einer absoluten Notwendigkeit errichtet, vor der die menschliche Vernunft sich nur verneigen kann. Er hat lange Zeit nach einer Schwachstelle gesucht, aber es gibt keine einzige Schwachstelle. Die Größen des Problems ergeben dessen Lösung. Das ist ganz einfach und er kann nichts dagegen tun. Er ist vor eine Schlussfolgerung gestellt, die er weder zurückweisen noch annehmen kann, und selbst wenn die Gesamtheit seiner intellektuellen Fähigkeiten darüber wie betäubt ist, so hat er doch Tag um Tag ohne zu zögern die praktischen Konsequenzen, die diese Schlussfolgerung impliziert, seinerseits ins Werk zu setzen. Die Gefangenen müssen reden. Alle müssen reden. Es ist streng genommen unmöglich, a priori diejenigen, die schweigen, um Informationen zu verheimlichen, von denjenigen zu unterscheiden,

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