Und meine Seele ließ ich zurueck
Capitaine diesen Moment vergessen. Er hat dieses Gesicht an der Spitze des Organigramms so oft betrachtet, dass er auch nicht eine Sekunde lang zweifeln kann, dass er es ist, seltsamerweise mit einem greifbaren und fragilen Körper gesegnet, und doch ist es ja zugleich unmöglich, dass er es tatsächlich wäre, denn der Mann, der sich auf der Schwelle befindet, hat die Pistole wahrgenommen, er hat die Tarnuniform wahrgenommen und er lächelt dennoch weiterhin so freundlich, als handele es sich um nichts anderes als ein zufälliges Wiedersehen sehr teurer Freunde, die einander seit Langem aus den Augen verloren haben.
– Sind Sie Tarik Hadj Nacer?, fragt der Capitaine und der Mann antwortet Ja, ohne aufzuhören zu lächeln. Es ist ein extrem friedfertiges und lauteres Lächeln, das von Kampfansage oder Ironie nicht die Spur geschwächt wird.
– Sind Sie Tahar?, insistiert der Capitaine.
– Ja, Capitaine. Das bin ich.
*
Der Colonel hat die Presse auf achtzehn Uhr geladen. Obgleich er geltend gemacht hatte, dass eine Mausefalle hätte aufgestellt werden sollen in Telemly, wo Moreau den Befehl hatte, einen jeden gefangen zu nehmen, der darum gebeten hätte, Monsieur Sahraoui zu sehen, hatte Capitaine Degorce keinen weiteren Aufschub erzielen können.
– Was meinen Sie, Degorce? Die werden Lunte gerochen haben, noch bevor die Journalisten ihre Artikel fertig redigiert haben werden. Ihre Mausefalle wird in weniger als zwei Stunden aufgeflogen sein. Wenn Sie jemanden festnehmen wollen, dann jetzt oder nie. Glauben Sie mir.
Der Capitaine gab nach und wenige Minuten später rief Moreau an, um zu verkünden, dass er soeben ein junges Mädchen festgenommen hätte, eine Pseudonichte, die sich weigerte, ihren Namen zu nennen.
– Sehr gut, Moreau. Ziehen Sie von dort ab. Lassen Sie aber wenigstens bis morgen früh einen Ihrer Männer da, man weiß ja nie.
Der Colonel jubelt.
– Hervorragende Arbeit, Degorce, auch wenn Sie ein Schweineglück hatten! Wahnsinn, da kriegt dieses Rattengesocks mal ordentlich eins übergezogen. Los, zeigen Sie ihn mir, Ihren Hadj Nacer.
Tahar sitzt auf einem Strohbett, die Hände verbunden, die Augen halb geschlossen. Er wirkt, als würde er ruhig vor sich hin träumen und sein seltsames Lächeln hat sich noch immer nicht verflüchtigt. Der Colonel spult seine Nummer des hochherzigen und siegreichen Kriegers ab und beginnt in der Zelle hin- und herzulaufen und dabei Reden zu schwingen über die Größe und Dienstbarkeit des Soldatenstands, er hört sich mit sichtbarer Freude reden, er fragt sich mit lauter Stimme, was er, der Colonel, gemacht hätte, wenn er Araber gewesen wäre, und er räumt ein, dass er wahrscheinlich den gleichen Weg eingeschlagen hätte, er hat sich immer schon in die Lage seiner Feinde versetzen können, er gratuliert Tahar dazu, dass er ihm so viele Probleme bereitet hat, er berauscht sich an seinen eigenen Worten, er schwört enthusiastisch und Capitaine Degorce fürchtet sich davor, Tahars Blicken zu begegnen, und unter dem Gewicht der Scham, die ihn bedrückt, senkt er seine Augen.
(Das ist ein Schwachkopf. Schon immer. Die Schwachköpfigkeit dieses Mannes ist schwindelerregend. Sie ist absolut unglaublich.)
Man hört einen erstickten Aufschrei einer Frau, dem der Colonel keinerlei Beachtung schenkt.
– Ich komme gleich zurück, sagt Capitaine Degorce und verlässt die Zelle.
Er betritt einen Raum am Ende des Flurs. Eine ganz junge Frau liegt ausgestreckt auf einen Tisch, an dessen Beine ihre Handgelenke und Knöchel festgebunden sind. Zwei Harkis und Sergeant Febvay sind über sie gebeugt. Sie blutet aus der Nase, sie ist nackt; man hat ihr ein Taschentuch in den Mund gestopft. Der Capitaine betrachtet ihre Brüste, die Wölbung ihres blassen Bauches, die Locken ihrer Scham, aus der die dunkle und glänzende Masse einer Maschinenpistole hervorzubrechen scheint. Er hat den flüchtigen und unzumutbaren Eindruck, dass sie Fratzen schneidet und sich unter den Schmerzen einer monströsen Niederkunft windet. In der Ecke des Raums raucht Adjudant-Chef Moreau eine Zigarette.
(Die Logik kennt keine Grenze. Ihre Herrschaft ist grenzenlos. Die Höllenmacht der Feuersbrunst.)
– Das ist die Schlampe aus Telemly, sagt Sergeant Febvay. Wir versuchen sie zur Vernunft zu bringen.
– Entfernen Sie das, sagt der Capitaine und zeigt auf die in ihren Unterleib gerammte Waffe. Entfernen Sie ihr das auf der Stelle.
Der Sergeant gehorcht.
– Sind Sie durchgeknallt,
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