Und meine Seele ließ ich zurueck
Sie dem Kabylen Bescheid, dass ich bei ihm vorbeischaue. Stecken Sie die Typen, die bei ihm sind, in eine andere Zelle. Bringen Sie ihm Zigaretten. Und Tee. Erweisen Sie sich ihm gegenüber als freundlich, sagen Sie ihm, dass es keine weiteren Befragungen mehr geben wird, dass ich nur zum Reden vorbeikommen werde. Rufen Sie mich, wenn Sie so weit sind.
Capitaine Degorce zündet sich eine Zigarette an, die er sorgsam raucht, die Stirn an eine Fensterscheibe gelehnt. Die Sonne scheint über der Bucht und keine einzige Wolke zieht übers Meer, der Himmel aber ist nicht wirklich blau, er ist durchzogen von verwaschenen, gelblichen Schlieren, die ihm die schmutzige und glanzlose Färbung von Teichwasser verleihen. In diesem Land ist der Himmel niemals blau, nicht einmal im Sommer, vor allem im Sommer nicht, wenn der glühend heiße Wüstenwind die Konturen der Stadt in seinen erdfarbenen Staubwirbeln auslöscht und sich aus den trägen Strömungen des Mittelmeeres die Dunstschwaden eines gleißenden Nebels erheben, in dem der rote Rumpf der Frachtdampfer zittert. Er erinnert sich an die im April verbrachten Ferien, zwei Jahre zuvor, gemeinsam mit Jeanne-Marie und den Kindern, das Mittagessen auf der Terrasse eines Hotels in Piana, gegenüber dem Golf von Porto, die unglaublich klare Risswunde der Felswände vor dem tiefen Blau eines kristallklaren Himmels, und es fällt ihm schwer, zu glauben, dass die Küstenstriche, die er heute betrachtet, umspült werden von ein und demselben Meer, das sich unter ein und demselben Himmel dahinstreckt.
Er verscheucht das Bild seiner Tochter, die im herbstlichen Licht lächelt. Er wünscht sich, dass das, was er jetzt zu tun hat, bereits hinter im läge.
– Alles ist vorbereitet, mon Capitaine.
*
Der Kabyle lehnt gegen die Wand. Er ist nackt, in eine schmutzige Decke gehüllt. Er richtet seine großen, grünen Augen auf den Capitaine, der sich im Schneidersitz ihm gegenüber hinsetzt.
– Sie scheinen sich zu erholen, sagt Capitaine Degorce, während er ihm eine Hand auf die Schulter legt.
Der Kabyle unterdrückt ein Schmerzesstöhnen, als er versucht, sich zu entwinden. Der Capitaine zieht seine Hand zurück.
– Sie waren ausgesprochen mutig, wissen Sie. Meine Männer sind ausnahmslos beeindruckt, wirklich. Sie respektieren Sie sehr. Wie auch immer, jetzt ist es vorbei, der Sergeant müsste es Ihnen bereits mitgeteilt haben. Wir sind keine Wilden. Jedermann weiß, dass Sie nichts sagen werden, niemand insistiert noch länger, wozu auch? Sie sehen mich voller Bewunderung.
Der Capitaine zündet sich eine Zigarette an und reicht eine dem Kabylen.
– Voller Bewunderung, wirklich, bekräftigt er. Wissen Sie, ich habe das auch durchgemacht, 1944, ich weiß, wovon ich spreche.
Der Kabyle zuckt mit den Schultern. Der Capitaine lässt ein leicht amüsiertes Lächeln aufkommen.
– Ich stelle fest, dass Sie meine Zigaretten annehmen, nicht aber meine Bewunderung, nicht wahr, Abdelkrim?
Den Kabylen durchzuckt ein Schreck.
– Ist übrigens ein sehr schöner Name, Abdelkrim Aïd Kaci, der Name eines Kriegers, voller Adel, Sie hätten ihn uns nicht so lange vorenthalten dürfen und außerdem, sehen Sie, hat es ja gar nicht viel gebracht, nicht jeder hat Ihren Mut ...
Der Capitaine beugt sich nach vorn.
– Wir lieben diese Arbeit nicht, aber wir machen sie gut, schließt er mit eisigem Ton, bevor er sich wieder aufrichtet und in aller Ruhe an seiner Zigarette zieht.
(Ich bin ein Komödiant, ein Hanswurst, der eine dunkle Farce spielt. Und diese Farce muss bis zum Schluss gespielt werden, ohne Ausweg oder Erbarmen. Jedes einzelne Haar meines Kopfes ist gezählt, jede Lüge, jede würdelose List. Und gespielt werden muss bis zum Schluss.)
– Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, Abdelkrim, wir werden Sie nicht mehr befragen. Aber aus Gründen der Sorgfalt, jetzt, da wir Ihren Namen haben, werden wir dennoch einige Fragen an Mitglieder Ihrer Familie richten. Vielleicht an Ihre junge Schwester, die, ich meine, sechzehnjährig ist und, ich würde darauf wetten, die gleichen wunderschönen Augen hat wie Sie. Meine Männer würden sie nur allzu gern befragen.
Abdelkrim beginnt zu zittern. Er verbirgt sein Gesicht in den Händen.
– Meine Männer werden ebenso ihre Freude daran haben, Ihre Mutter zu befragen. Sie würden egal wen befragen, wissen Sie.
Schluchzer zerreißen Abdelkrims Brust und seine Finger entlang fließen Tränen.
– Ich gehöre der Rebellion an, sagt Abdelkrim
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