Und morgen bist Du tot
dürfte bei einem Kapitalverbrechen kein Problem sein. Ich nehme an, es hat mit der Operation Neptun zu tun.«
»Es ist einer meiner Ermittlungsansätze.«
»Also, wenn sich ein Handy im Stand-by-Modus befindet, meldet es sich etwa alle zwanzig Minuten beim Netz. Es sagt praktisch: Hallo Leute, hier bin ich! Wenn du mal ein Handy in der Nähe des Autoradios liegengelassen hast, kennst du sicher das Gepiepse, wenn es zu Interferenzen mit dem Radio kommt.«
Branson nickte.
»Genau dann meldet es sich!«, sagte Packard strahlend, als hätte er persönlich allen Handys diesen Trick beigebracht. »Aus den Protokollen kannst du ersehen, von wo aus es sich zuletzt gemeldet hat, und zwar auf einige hundert Meter genau.«
Er schaute sich um, als merkte er erst jetzt, dass fast alle Kollegen in den Konferenzraum gegangen waren.
»Wahrscheinlich hat es sich bei zwei oder drei Basisstationen an der Küste gemeldet.«
Wieder schaute er sich um.
»Ich will jetzt nicht zu technisch werden, aber es gibt etwas, das sich timing advance nennt. Das Signal bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit von und zur Basisstation. Das sind 300000 Kilometer pro Sekunde. Der timing advance erlaubt es einem je nach Anbieter, die Entfernung von jeder Basisstation zum Handy zu berechnen. Kannst du mir folgen?«
Glenn nickte.
»So bekommst du die ungefähre Position, vor allem aber die Entfernung von sämtlichen Basisstationen, was dir zusammengenommen erlauben sollte, einen Ort durch Triangulation bis auf wenige hundert Meter genau einzugrenzen. Allerdings musst du bedenken, dass es sich nur um die Stelle handelt, an der die letzte Meldung verzeichnet wurde. Das Boot könnte theoretisch noch zwanzig Minuten weitergefahren sein.«
»Aber ich würde immerhin die letzte bekannte Position und den ungefähren Kurs erhalten.«
»Exakt!«
»Du bist ein Genie, Ray!« Glenn machte sich Notizen. »Du bist ein verdammtes Genie!«
63
UM HALB NEUN MORGENS warteten zwei Leute, die nach außen hin wie Mutter und Sohn aussahen, in der Schlange vor einem der Dutzend Schalter für EU-Bürger auf dem Flughafen Gatwick.
Die Frau war eine selbstsichere, eindrucksvolle Blondine von Mitte vierzig, die ihr langes Haar schick und modern geschnitten hatte. Sie trug einen pelzbesetzten schwarzen Wildledermantel mit passenden Stiefeln und zog einen Trolley von Gucci hinter sich her. Der Junge, der sie begleitete, war ein verwirrt dreinblickender Teenager, dessen Gesichtszüge an einen Roma erinnerten. Seine Jeansjacke war zu groß für ihn, die Jeans und die Turnschuhe mit den offenen Schnürsenkeln wirkten nagelneu. Er hatte nichts bei sich außer einem Computerspiel und der Hoffnung, dass er heute Morgen mit dem einzigen Menschen, den er je geliebt hatte, wiedervereint sein würde.
Die Frau tätigte einige Anrufe in einer Sprache, die er nicht verstand. Vermutlich Deutsch. Er beschäftigte sich mit seinem Spiel, das ihn bald langweilte. Auch die Reise langweilte ihn. Hoffentlich war sie bald vorbei.
Schließlich waren sie an der Reihe. Der Geschäftsmann vor ihnen reichte der ebenfalls gelangweilten Schalterbeamtin, die wohl kurz vor dem Ende einer langen Schicht stand, seinen Ausweis. Sie prüfte ihn und gab ihn zurück.
Marlene Hartmann trat vor und drückte die Hand des Jungen. Die Lederhandschuhe verbargen ihre eigenen feuchten Hände. Sie gab die Pässe ab.
Die Frau hinter dem Schalter prüfte zuerst den von Marlene und warf einen Blick auf den Bildschirm, auf dem keine Meldung erschien. Dann den des Jungen. Rares Hartmann. Auch nichts. Sie gab ihnen die Pässe zurück.
In der Ankunftshalle entdeckte Marlene Vlad Cosmescu inmitten der zahlreichen Fahrer, die Namensschilder in die Höhe hielten, und der Angehörigen, die nach ihren Liebsten Ausschau hielten.
Sie begrüßten einander mit einem förmlichen Händedruck. Dann wandte Marlene sich an den Jungen, der noch nie im Leben aus Bukarest herausgekommen war und ziemlich durcheinander schien.
»Rares, das ist Onkel Vlad. Er wird sich um dich kümmern.«
Cosmescu begrüßte den Jungen mit Handschlag und sagte auf Rumänisch, er freue sich, ihn in England willkommen zu heißen. Der Junge murmelte, er sei glücklich, hier zu sein, und hoffe, seine Freundin Ilinca wiederzusehen. Vielleicht schon heute Morgen?
Cosmescu versicherte ihm, dass Ilinca bereits auf ihn warte und Sehnsucht nach ihm habe. Sie würden erst Frau Hartmann absetzen und dann zu dem Mädchen fahren.
Die Augen des Jungen leuchteten auf,
Weitere Kostenlose Bücher