Und morgen bist Du tot
einen Kontaktmann bei der Polizei besaß. Er war entschlossen, es irgendwann herauszufinden, doch im Augenblick war er mit seinen Gedanken ganz woanders. Er musste so schnell wie möglich zur Party für Chief Superintendent Jim Wilkinson und herausfinden, was Cleo ihm am Telefon nicht hatte sagen können.
Weshalb hatte sie so distanziert geklungen? Wollte sie ihn verlassen? Ihm sagen, sie hätte einen anderen kennengelernt? Oder zu ihrem Ex-Freund zurückkehren, dem Rechtsanwalt und wiedergeborenen Christen?
Na schön, ihr Ex war in Eton gewesen, da konnte er nicht mithalten. Cleo stammte aus völlig anderen Verhältnissen als er selbst, aus einer anderen Klasse. Ihre Familie war reich, sie hatte eine Privatschule besucht und war ungeheuer intelligent.
Er selbst hingegen war nur ein Durchschnittsbulle aus der Mittelklasse, der Sohn eines anderen Durchschnittsbullen. Mehr Ehrgeiz hatte er nie besessen, mehr wollte er gar nicht sein. Er liebte seine Arbeit und seine Kollegen. Könnte er die Zeit anhalten, würde er sich wünschen, auf ewig in diesem Job zu bleiben.
War Cleo das plötzlich klargeworden?
Trotz aller Versuche, mit ihr Schritt zu halten – er hatte sogar ein Fernstudium in Philosophie begonnen –, konnte er es geistig nicht mit ihr aufnehmen. Hatte sie vielleicht entschieden, er sei nicht klug genug für sie?
»Schön, Sie zu sehen, Detective Superintendent Grace, Detective Inspector Mantle.«
Der Reporter vertrat ihnen den Weg und grinste wie ein Honigkuchenpferd. Einen Augenblick lang waren sie einander so nahe, dass Grace den Pfefferminzkaugummi seines Gegenübers riechen konnte.
»Was führt zwei leitende Kripobeamte an einem kalten Abend in den Hafen?«
Er hatte ein schmales Gesicht mit scharfen Augen und einen modernen Kurzhaarschnitt. Den Kragen seines beigefarbenen Regenmantels trug er à la Bogart hochgeschlagen. Die schwarzen Schuhe mit den Bommeln wirkten billig und wenig dezent.
»Sie sehen auch nicht gerade aus, als wollten Sie angeln gehen«, konterte Lizzie Mantle.
»Ich angle nach Tatsachen«, erwiderte er und hob fragend die Augenbrauen. »Oder sollte ich lieber aufbaggern sagen?«
Der Leichenwagen setzte sich gerade in Bewegung. Spinella drehte sich kurz um und wandte sich wieder den beiden Ermittlern zu.
»Würden Sie einen Kommentar abgeben?«
»Nicht in dieser Phase«, erwiderte Grace. »Möglicherweise gebe ich morgen nach der Autopsie eine Pressekonferenz.«
Spinella holte seinen Notizblock heraus und klappte ihn auf. »Könnte also auch die übliche Wasserleiche sein. Darf ich Sie so zitieren, Detective Superintendent?«
»Bedaure, kein Kommentar«, sagte Grace.
»Oder eine Seebestattung?«
Grace ging zum Auto. Spinella trabte eifrig neben ihm her.
»Ist doch ein bisschen komisch, dass die Leiche mit Betonbausteinen beschwert war, oder?«
»Sie haben meine Handynummer. Rufen Sie mich morgen gegen Mittag an«, erklärte Grace. »Vielleicht weiß ich bis dahin mehr.«
»Zum Beispiel, was der Einschnitt an der Leiche zu bedeuten hat?«
Grace blieb abrupt stehen. Er beherrschte sich mühsam und schluckte eine Erwiderung hinunter. Woher zum Teufel hatte er das nun wieder? Sicher von einem der Crewmitglieder. Spinella verstand sich meisterhaft darauf, Leuten Informationen aus der Nase zu ziehen.
Spinella grinste. Er wusste genau, dass er den Ermittler auf dem falschen Fuß erwischt hatte. »Eine Art Ritualmord? Schwarze Magie?«
Grace überlegte rasch. Er wollte keine sensationslüsterne Schlagzeile in der Morgenausgabe, die den Leuten nur Angst einjagen würde. Andererseits konnte Spinella durchaus richtigliegen. Der Einschnitt war tatsächlich seltsam. Graham Lewis hatte recht, er erinnerte stark an die Vorgehensweise bei einer Autopsie. Oder vielleicht bei einem Ritual?
»Na gut, hier ist mein Angebot. Wenn Sie nicht mehr als die reinen Fakten bringen, dass ein Baggerschiff eine bislang unidentifizierte Leiche gefunden hat, haben Sie morgen gleich nach der Pressekonferenz grünes Licht für die Story. Einverstanden?«
»Grünes Licht?« Spinella nickte zustimmend. »Das gefällt mir! Wirklich gut, Detective Superintendent!«
17
SIMONA WAR HUNGRIG UND NASS. Stundenlang war sie im prasselnden Regeln durch die dunklen Straßen der Stadt gelaufen. Um diese Jahreszeit herum war es immer schlimm, bei dem kalten Wetter blieben die Leute zu Hause, und es gab keine Touristen. Hoffentlich würde die Beute in den kommenden Wochen reicher ausfallen, denn demnächst
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