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Und morgen bist Du tot

Und morgen bist Du tot

Titel: Und morgen bist Du tot
Autoren: Peter James
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Handelshafen gewesen, doch das Aufkommen der großen Containerschiffe, die ihn nicht anfahren konnten, hatte seinen Charakter verändert.
    Er wurde noch immer von Frachtschiffen und Fischerbooten benutzt, vor allem aber von Baggerschiffen, die Kies und Sand vom Meeresboden förderten und an die Bauindustrie verkauften.
    »Was hast du in den nächsten drei Wochen vor?«, fragte er.
    Das Vertrauen in ihre Ehefrauen war für alle Seeleute von Bedeutung. Als er bei der Royal Navy angefangen hatte, hatte man ihm erzählt, dass manche Seemannsfrauen ein Päckchen OMO-Waschpulver ins Fenster stellten, wenn ihre Männer unterwegs waren. Es bedeutete Old Man Overseas – mein Alter ist auf See.
    »Jemmas Krippenspiel, das du leider verpassen wirst«, sagte sie. »Und Amy reist in vierzehn Tagen ab. Bis dahin schleicht sie schmollend durchs Haus.«
    Amy war Janes elfjährige Tochter aus erster Ehe, mit der er ein gutes Verhältnis hatte.
    Jemma war ihre gemeinsame sechsjährige Tochter, der er sehr nahestand. Sie war liebevoll, klug und absolut lebensfroh, ein vollkommener Kontrast zu seiner kranken, ihm fremd gewordenen Tochter aus erster Ehe, die er gernhatte, zu der er aber trotz aller Bemühungen nie eine richtige Beziehung hatte aufbauen können. Es tat ihm leid, dass er Jemmas Auftritt als Jungfrau Maria verpassen würde, aber die Familie war es gewöhnt, Opfer für seinen Beruf zu bringen. Es war einer der Gründe für die Scheidung von seiner ersten Frau gewesen, daran musste er oft denken.
    Er betrachtete Jane, als sie an den Häusern vorbei auf die lange, gerade Straße bog, die südlich am Hafenbecken vorbeiführte. Sie fuhr betont langsam, als wollte sie den Abschied hinauszögern. Jane war quirlig und reizend, hatte einen kurzen roten Bob und eine freche Stupsnase. Sie trug Lederjacke, weißes T-Shirt und verschlissene Jeans. Der Unterschied zwischen seinen beiden Frauen hätte nicht größer sein können. Jane war Therapeutin und behandelte Angsterkrankungen. Sie liebte ihre Unabhängigkeit und genoss die drei Wochen Freiheit, nach denen sie ihn, wie sie sagte, umso mehr zu schätzen wusste.
    Lynn hingegen, die für ein Inkassobüro arbeitete, war immer hilfsbedürftig gewesen. Zu hilfsbedürftig. Natürlich war es schön, wenn eine Frau einen begehrte, sich nach einem sehnte. Aber er wurde vor allem gebraucht. Und dieses Gebrauchtwerden hatte sie letztlich auseinandergebracht. Er hatte gehofft, beide hatten gehofft, ein Kind werde etwas daran ändern, aber das war nicht der Fall gewesen.
    Danach war es sogar noch schlimmer geworden.
    Jane fuhr langsamer und setzte den Blinker. Sie hielt an und ließ einen mit Holz beladenen Lkw vorbei, bog rechts ab und fuhr durch das offene Tor der Firma Solent Aggregates. Sie hielt vor dem Container, in dem die Sicherheitskontrolle untergebracht war.
    Mal stieg aus. Er trug schon seinen weißen Overall und die Gummistiefel. Er öffnete den Kofferraum, hievte die große Reisetasche heraus und setzte den gelben Schutzhelm auf. Dann beugte er sich durchs Fenster und küsste Jane zum Abschied. Es war ein langer, genießerischer Kuss. Auch nach sieben Jahren brannte ihre Leidenschaft noch heftig, einer der Vorteile, wenn man regelmäßig drei Wochen voneinander getrennt war.
    »Ich liebe dich«, sagte er.
    »Ich liebe dich noch mehr«, antwortete sie und küsste ihn noch einmal.
    Er war groß, schlank und kräftig. Ein gutaussehender Mann mit einem offenen, ehrlichen Gesicht und kurzem blondem Haar, das allmählich schütter wurde. Ein Mann, den die Kollegen mochten und respektierten, der keine dunkle Seite hatte. Er war so, wie er sich gab.
    Er sah zu, wie sie den Rückwärtsgang einlegte, horchte auf das Geräusch des Auspuffs und des Motors, als sie Gas gab. Ein Leitblech des Doppelauspuffs musste ersetzt werden. Wenn er zurückkam, würde er ihn auf die Hebebühne setzen. Außerdem musste er einen Blick auf die Stoßdämpfer werfen, bei Bodenwellen lag der Wagen nicht so gut auf der Straße. Vielleicht mussten auch die vorderen Stoßdämpfer erneuert werden.
    Als er den Container betrat und sich in das Register eintrug, wobei er mit dem Wachmann scherzte, war der Wagen schon vergessen. Der Steuerbordmotor der Arco Dee hatte fast 20000 Betriebsstunden, nach den Firmenrichtlinien war eine Inspektion fällig. Er musste den richtigen Zeitpunkt dafür berechnen. In den Weihnachtsferien waren die Trockendocks geschlossen, doch die Eigentümer der Arco Dee interessierten sich nicht
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