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Und morgen bist Du tot

Und morgen bist Du tot

Titel: Und morgen bist Du tot
Autoren: Peter James
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es sehr lange.« Sie wusste, dass Blutplättchen in der Leber produziert und bei einer gesunden Leber sofort an die verletzte Stelle transportiert wurden, wo sie Schorf bildeten und so die Blutung stillten. »Wie hoch sind die Enzymwerte?« Nachdem sie jahrelang alles im Internet recherchiert hatte, was sie von den Ärzten gehört hatte, kannte sie sich mit dem Thema recht gut aus. Gut genug, um zu wissen, wann Grund zur Sorge bestand, aber nicht gut genug, um eine Lösung zu kennen.
    »Bei einer normalen gesunden Leber liegen die Enzymwerte bei 45. Die Laboruntersuchungen vor einem Monat zeigten 1050. Die neuesten Tests schon 3000. Dr. Granger ist sehr besorgt deswegen.«
    »Was hat das zu bedeuten, Ross?« Ihre Stimme klang erstickt und schrill. »Dieser Anstieg, meine ich?«
    Er schaute sie ernst und voller Mitgefühl an. »Die Gelbsucht wird schlimmer«, sagte er. »Genau wie die Enzephalopathie. Einfach ausgedrückt, Caitlins Körper wird vergiftet. Sie leidet zunehmend unter Halluzinationen, oder?«
    Lynn nickte.
    »Sehstörungen?«
    »Manchmal.«
    »Juckreiz?«
    »Der macht sie wahnsinnig.«
    »Kurz gesagt, Caitlin reagiert nicht mehr auf die Medikamente. Sie leidet unter einer irreversiblen Zirrhose.«
    Lynn spürte, wie sich eine düstere Schwere in ihr ausbreitete. Sie schaute trostlos aus dem Fenster. Zur Feuertreppe hinüber. Auf einen winterlichen, skelettartigen Baum. Er sah tot aus. Sie fühlte sich auch tot.
    »Wie geht es ihr heute?«
    »Ganz gut, ein bisschen niedergeschlagen. Sie klagt über Juckreiz. Sie war fast die ganze Nacht wach und hat sich Hände und Füße gekratzt. Sie sagt auch, ihr Urin sei sehr dunkel. Und ihr Bauch ist geschwollen, das findet sie am schlimmsten.«
    »Ich kann ihr Entwässerungstabletten geben, um die Flüssigkeit auszuleiten.« Er notierte etwas auf der Karteikarte, und auf einmal wurde Lynn ungehalten. Was sollte die Notiz auf einer blöden Karteikarte? Warum hatte er für so etwas keinen Computer?
    »Ross, Sie sprachen von – von einer dramatischen Abnahme. Was kann man dagegen tun? Wie lässt sich das rückgängig machen?«
    Er sprang vom Schreibtisch auf, trat an ein deckenhohes Bücherregal und kam mit einem braunen keilförmigen Gegenstand zurück. Er machte Platz auf dem Schreibtisch und legte den Gegenstand darauf.
    »So sieht die Leber eines Erwachsenen aus. Caitlins ist nur unwesentlich kleiner.«
    Lynn schaute das Modell an, wie sie es schon tausendmal getan hatte. Dann zeichnete er auf einen Notizblock etwas, das aussah wie Brokkoli. Er erklärte geduldig, wie die Gallengänge funktionierten, doch als er das Diagramm fertiggestellt hatte, wusste sie nicht mehr darüber als zuvor. Außerdem gab es nur eine Frage, die jetzt wirklich wichtig war.
    »Man muss dieses Versagen doch irgendwie rückgängig machen können«, sagte sie, klang aber nicht überzeugend. Es war, als wüssten sie beide, dass sie sechs Jahre wider alle Wahrscheinlichkeit gehofft hatten und nun mit dem Unvermeidlichen konfrontiert wurden.
    »Leider ist das, was hier passiert, nicht rückgängig zu machen. Dr. Granger befürchtet, dass uns die Zeit davonläuft.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie hat nicht auf die Medikamente angesprochen, und es gibt nichts, das wir ihr jetzt noch geben könnten.«
    »Aber es muss doch etwas geben? Vielleicht eine Dialyse.«
    »Die hilft bei Nierenversagen, nicht aber bei Leberversagen. Für die Leber gibt es nichts Vergleichbares.« Er wurde still.
    »Warum nicht, Ross?«, fragte sie nach.
    »Weil die Funktionen der Leber zu komplex sind. Ich zeichne Ihnen mal einen Querschnitt auf und –«
    »Ich will nicht noch ein blödes Diagramm!«, brüllte sie und brach in Tränen aus. »Ich will doch nur, dass es meiner Kleinen bessergeht. Sie müssen doch irgendetwas für sie tun können.« Lynn zog die Nase hoch. »Was passiert denn jetzt, Ross?«
    Er biss sich auf die Lippe. »Sie braucht eine Transplantation.«
    »Eine Transplantation? Scheiße, sie ist fünfzehn! Fünfzehn!«
    Er nickte, sagte aber nichts.
    »Ich brülle ja nicht Sie an … es tut mir leid – Ich …« Sie wühlte nach einem Taschentuch und wischte sich die Augen. »Meine Kleine hat schon so viel durchgemacht. Eine Transplantation?«, fragte sie noch einmal. »Ist das wirklich die einzige Möglichkeit?«
    »Leider ja.«
    »Und sonst?«
    »Offen gesagt, sonst wird sie nicht überleben.«
    »Wie lange haben wir noch?«
    Er hob hilflos die Hände. »Das kann ich Ihnen nicht
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