Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und morgen bist Du tot

Und morgen bist Du tot

Titel: Und morgen bist Du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
Vom Netzwerk:
unter Wasser im Dunkeln auf einen scharfen Gegenstand zu treffen.
    Etwas stieß gegen ihre Maske und verschwand. Vermutlich ein Fisch, der am Meeresboden lebte, eine Scholle oder Flunder, vielleicht ein Aal.
    Sie hielt die Markierungsleine mit der linken Hand und schwamm langsam durch die tintenschwarze Dunkelheit zurück, wobei sie den rechten Arm wie einen Scheibenwischer hin- und herbewegte.
    Wann immer sie auf diese Weise suchte, spielte das Gehirn ihr gemeine Streiche. Es erinnerte sie an alle Horrorfilme, die sie jemals gesehen hatte. An jedes Ungeheuer und jeden Dämon, der am Meeresboden auf sie lauern konnte.
    Aber sie war schon an sehr viel schlimmeren Orten als an diesem getaucht. Sie hatte einmal die Leiche eines zehnjährigen Jungen aus einem Kanal geborgen. Sie war in Stauseen, Gräben und Gruben getaucht. In ihren Augen gab es nichts, was sie hier unten bedrohte. Es war nur eine Anomalie.
    Plötzlich stieß ihre Hand an etwas.
    Es fühlte sich an wie ein menschliches Gesicht unter Plastik.
    Ihr Herz sprengte fast die Brust. Um ein Haar hätte sie sich vor Entsetzen die Maske abgerissen.
    Das Blut schoss ihr wie Eiswasser durch die Adern.
    Scheiße, Scheiße, Scheiße.
    Ihr Mann, der Pilot war, tauchte nicht. Sie hatte so oft versucht, ihm die Aufregung und den Rausch zu schildern. Er erwiderte dann gern, im Cockpit einer 747 bekomme er alle Aufregung, die er brauche. Dort sei es warm und trocken, und es gebe heiße Getränke und Essen aus der ersten Klasse. In diesem Moment konnte sie seine Argumente durchaus verstehen.
    Sie tastete mit der Hand über das Gesicht. Den Kopf. Erspürte die Umrisse unter der schweren Plastikfolie. Schultern. Rücken. Gesäß. Oberschenkel. Waden. Füße.

34
    »NETTER HUND!«, sagte die Frau. »Was ist das für eine Rasse?« Sie sprach mit ausländischem Akzent.
    Was für eine dumme Frage. In Bukarest würde nur ein Tourist eine solche Frage stellen. Romeo kniete neben dem Weg im Unkraut und gab ihm seine tägliche Mahlzeit. Er hatte keine Ahnung, welche Rasse das war. Wie die meisten streunenden Hunde, die in den Außenbezirken von Bukarest lebten – und es gab Tausende von ihnen –, war Artur ein Mischling. Dreißig Jahre vor Romeos Geburt hatte Ceau ş escu in einer seiner ersten Amtshandlungen als Präsident die rumänische Bourgeoisie aus ihren Häusern vertrieben. Die meisten waren gezwungen, ihre Hunde zurückzulassen, die verwilderten und sich seither auf den Straßen herumtrieben und vermehrten.
    Diese Hunde waren klug und wussten genau, dass man sie treten und mit Steinen bewerfen würde, wenn sie die Menschen bedrohten. Waren sie freundlich, wurden sie gefüttert. Im Laufe der Jahre hatten sich die streunenden Hunde und die Obdachlosen der Stadt zusammengetan. Die Hunde beschützten die Menschen, und diese wiederum gaben ihnen zu fressen.
    »Ich würde sagen, er hat etwas von einem Schnauzer«, sagte die Frau.
    Sie betrachtete das hübsche, schmutzige Gesicht des Jungen, die runden Augen, das pechschwarze, verschnittene Haar und die verkrüppelte linke Hand. Sie musterte seine Kleidung, die abgetragene Jeans, das verschlissene Kapuzenshirt und die fadenscheinigen Turnschuhe. Sie betrachtete ihn so aufmerksam, als würde sie ihn einer Prüfung unterziehen. Dabei wusste sie genau, was für ein Mensch er war und in welcher Welt er lebte. Und, das war das Entscheidende, wie sie zu ihm durchdringen konnte.
    Der Junge fand, dass die Frau ein freundliches Gesicht hatte. Ihr blondes Haar war vom Wind zerzaust, und sie trug lässige, aber teure Kleidung, die so gar nicht in diese Gegend passte. Eine elegante, glänzende, enganliegende Lederjacke mit hochgeschlagenem Kragen, einen schwarzen Rolli aus feiner Wolle, nietenbesetzte Jeans, die in schwarzen Wildlederstiefeln steckten, auffälligen Schmuck und wunderschöne schwarze Lederhandschuhe. Sie gehörte zu jenen Frauen, die beladen mit Einkaufstüten aus den Limousinen vor den großen Hotels stiegen oder in aller Pracht vor einem eleganten Restaurant vorfuhren. Menschen wie sie lebten in einer völlig anderen Welt.
    »Er heißt Artur«, sagte er.
    »Das ist ein schöner Name.« Sie lächelte und sprach ihn laut vor sich hin. » Artur. Artur. Ja, ein sehr schöner Name. Er passt zu ihm!«
    Der Junge holte ein paar alte Nieren aus der Plastiktüte und steckte sie Artur in die Schnauze. Der Hund verschlang sie gierig mit einem Bissen. Dann griff Romeo wieder in die Tüte. Um die Ecke gab es einen Metzger, der immer

Weitere Kostenlose Bücher