Und morgen bist Du tot
Überprüfung seiner Pupillen hat ergeben, dass es im Gehirn zu Veränderungen gekommen ist, die auf einen erhöhten Druck hinweisen.«
»Seine Pupillen sind geweitet, oder?«
Chris Jackson lächelte. »Sie verstehen das natürlich.«
»Und ich verstehe auch, wie schwer das Hirntrauma ist. Wie lange, glauben Sie –, meinen Sie – dass er …« Sie schien an den Worten zu ersticken. »Dass er noch bei uns ist?«
»Wir müssen noch weitere Untersuchungen durchführen, aber es ist offenkundig. Möchten Sie irgendjemanden anrufen? Angehörige, die dabei sein sollen, die sich von ihm verabschieden möchten und Sie unterstützen können?«
Susan stellte ihre Tasse ab, holte ein Taschentuch heraus, wischte sich die Augen und nickte.
»Sein Bruder – er ist ohnehin unterwegs von London. Er müsste bald hier sein. Ich – ich –« Sie schüttelte den Kopf, zog die Nase hoch und holte tief Luft. Sie kämpfte mit den Tränen. »Wie sicher sind Sie?«
»Sein Blutdruck ist auf 220 zu 110 angestiegen. Dann fiel er auf 90 zu 140. Sie sind doch Krankenschwester. Sie wissen, was das bedeutet.«
»Ja.« Susan nickte, während ihre Augen von Tränen überquollen. »Nat ist gestorben, richtig?«
»Es tut mir leid, ja«, sagte Chris Jackson sehr leise.
Susan nickte und drückte sich das Taschentuch fest gegen beide Augen. Die andere Frau wartete geduldig ab. Nach ein paar Minuten trank Susan von ihrem Tee.
»Sehen Sie, ich muss etwas mit Ihnen besprechen«, begann Chris Jackson schließlich. »Da sich Ihr Mann im Krankenhaus befindet und sein Körper weitgehend unversehrt ist, haben Sie die Möglichkeit, seine Organe zu spenden, um anderen Menschen das Leben zu retten.«
Sie hielt inne und wartete auf eine Reaktion.
Susan starrte schweigend in ihre Tasse.
»Für viele Menschen ist das ein gewisser Trost. Es bedeutet, dass der Tod ihres Liebsten das Leben anderer retten kann. Somit würde wenigstens etwas Positives aus Nats Tod erwachsen.«
»Ich bin schwanger. Ich trage sein Kind in mir. Er wird es nicht mehr sehen, oder?«
»Immerhin wird etwas von ihm in diesem Kind weiterleben.«
Wieder schaute Susan in ihren Tee. Es war, als schlösse sich ein stählernes Band um ihre Kehle.
»Wie – ich meine, wenn ich – er – seine Organe spendet, wäre er dann, Sie wissen schon, entstellt?«
»Er würde die gleiche medizinische Versorgung erhalten wie ein lebender Patient. Und, nein, er wäre nicht entstellt. Wir würden nur einen Längsschnitt in der Brust vornehmen.«
Nach langem Schweigen erklärte Susan: »Ich weiß, dass Nat Organspenden immer unterstützt hat.«
»Aber er hatte keinen Spenderausweis? Oder stand er im Register?«
»Das hätte er sicher irgendwann gemacht.« Susan zuckte mit den Schultern und wischte sich wieder die Augen. »Er hat wohl nicht damit gerechnet, so – so …«
Die Krankenschwester nickte und ersparte ihr, den Satz zu vollenden. »Das tun die wenigsten.«
Susan lachte bitter. »Dieses verfluchte Motorrad. Ich wollte nie, dass er damit fährt. Wäre ich doch nur hart geblieben.«
»Es ist sehr schwer, Menschen mit einem starken Willen von etwas abzuhalten, Susan. Sie dürfen sich nicht die Schuld geben, niemals.«
Wieder entstand eine lange Pause. Dann fragte sie: »Würden Sie ihm ein Betäubungsmittel geben, falls ich zustimme?«
»Wenn Sie das möchten, gern. Aber es ist nicht nötig. Er wird nichts spüren.«
»Wie viel von ihm werden Sie wegnehmen?«
»Was immer Sie gestatten.«
»Ich will nicht, dass Sie seine Augen nehmen.«
»In Ordnung, das verstehe ich.« Ihr Piepser meldete sich. Sie warf einen Blick darauf und steckte ihn wieder in die Halterung. »Möchten Sie noch eine Tasse Tee?«
Susan zuckte mit den Schultern.
»Ich mache Ihnen noch eine und hole die Formulare. Wir müssen leider Nats Krankengeschichte durchgehen.«
»Wissen Sie, wer die Organe bekommt?«
»In diesem Stadium nicht. Es gibt eine nationale Datenbank für Organe – Nieren, Herz, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm –, in der sich über achttausend Patienten befinden. Die Organe Ihres Ehemanns würden je nach Übereinstimmung und Priorität zugeteilt. Es werden Empfänger gesucht, bei denen die besten Erfolgsaussichten bestehen. Wir würden Sie später anschreiben und Ihnen mitteilen, wer in den Genuss einer Spende gekommen ist.«
Susan schloss die Augen, um neuerliche Tränen zu unterdrücken.
»Holen Sie die Formulare«, sagte sie. »Holen Sie die verdammten Formulare, bevor
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