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Und morgen bist Du tot

Und morgen bist Du tot

Titel: Und morgen bist Du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Karten beantragt und jede bis zum Anschlag ausgereizt, ohne die alten Schulden zu begleichen.
    Seit über einem Jahr verhandelte Lynn fast wöchentlich mit einer der Kreditkartenfirmen, der die Frau 5000 Pfund schuldete. Es gelang ihr, die Rückzahlungsraten immer weiter zu senken, doch nun konnte die Frau auch die Hypothekenzinsen nicht mehr bezahlen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ihr Haus und ihr gesamtes Hab und Gut verlor.
    Wie gern hätte Lynn einen Zauberstab besessen, mit dem sie Anne Florence und allen anderen, denen es ähnlich erging, hätte helfen können, doch ihr blieb nichts anderes übrig, als mitfühlend und dennoch entschlossen zu sein. Leider war ihr Mitgefühl sehr viel größer als ihre Entschlossenheit.
    Der getigerte Kater Max rieb sich an ihren Beinen. Sie kniete sich hin und streichelte ihn, ließ sich von seinem weichen, warmen Fell trösten.
    »Du hast es gut, Max. Du hast nichts mit dem ganzen Mist zu tun, mit dem sich die Menschen herumquälen.«
    Max schnurrte.
    Lynn wählte die Nummer ihrer besten Freundin Sue Shackleton, auf deren fröhlichen Zuspruch sie sich immer verlassen konnte. Doch bei Sue meldete sich nur der Anrufbeantworter. Sie erinnerte sich verschwommen, dass sie irgendetwas von einer Reise nach Rom mit ihrem neuen Freund erwähnt hatte. Lynn hinterließ eine Nachricht und hängte niedergeschlagen ein.
    In diesem Augenblick klingelte die Mikrowelle. Sie wartete noch eine Minute und nahm die Pizza heraus, schnitt sie in Teile, stellte den Teller auf ein Tablett und ging damit ins Wohnzimmer. Als sie die Tür öffnete, dröhnte ihr der Fernseher entgegen. Sie erkannte zwei Figuren aus der Serie Laguna Beach, nach der ihre Tochter förmlich süchtig war. Caitlin lag auf dem Sofa, den Kopf auf Lukes Brust gebettet, barfuß, mit eingerollten Zehen. Auf dem gläsernen Kaffeetisch standen zwei offene Coladosen. Sie sah ihre Tochter an, die völlig in die Serie vertieft war und über etwas lächelte. Die Gefühle überwältigten sie. Sie verspürte den Drang, Caitlin ganz fest an sich zu drücken.
    Mein Gott, das Mädchen brauchte wirklich Zuspruch, sie verdiente Zuspruch. Sie verdiente etwas Besseres als diesen Sturkopf mit seinem blöden, schiefen Haarschnitt, der mit ihr auf dem Sofa lag.
    Sie war noch immer wütend, weil er Caitlin – und ihr selbst – mit den Zahlen auf den Wartelisten und der Sterblichkeitsrate Angst gemacht hatte.
    »Pizza!«, sagte sie fröhlicher, als sie sich fühlte.
    Luke, der einen Kapuzenpulli, zerfetzte Jeans und offene Turnschuhe trug, schaute unter seinem schrägen Pony hervor und hob die Hand, als wollte er den Verkehr regeln.
    »Yeah! Cool! Pizza ist cool.«
    Am liebsten hätte Lynn ihm die Pizza auf den Kopf geklatscht. Aber sie blieb ruhig, stellte das Tablett ab und kehrte in die Küche zurück. Ohne einen weiteren Blick auf die Sonntagszeitung zu werfen, griff sie nach dem Krimi von Val McDermid, den sie seit einigen Tagen las, um in einer anderen Welt auf andere Gedanken zu kommen.
    In dem Roman quälte ein Mann sein Opfer mit dem Nachbau eines mittelalterlichen Foltergeräts, und Lynn dachte auf einmal, wie reizvoll es doch wäre, diese Maschine an Luke auszuprobieren.
    Dann legte sie das Buch beiseite und weinte.

42
    SUSAN COOPER war völlig erschöpft. Sie hatte nicht gezählt, wie viele Tage seit Nats Unfall vergangen waren. Sie war nur kurz zum Duschen und Umziehen nach Hause gefahren, hatte ansonsten aber praktisch auf der Intensivstation gelebt, und das seit vergangenem Mittwoch. Laut Daily Mail, die auf ihrem Schoß lag, war heute Montag.
    Die Zeitung war voller Werbeanzeigen, die von Stechpalmengirlanden umrahmt waren, und ebenso fröhlichen wie feierlichen Artikeln und Tipps zum kommenden Weihnachtsfest. Wie vermeide ich den Kater nach der Weihnachtsfeier? Wie verliere ich nach den Feiertagen die unerwünschten Pfunde? Wie dekoriere ich meinen Baum mit recyceltem Haushaltsmüll? Hundert Geschenkideen für Weihnachten! Ein Geschenk für Ihren Mann, das er nie vergessen wird!
    Wie wäre es mit: Wie helfe ich meinem Mann, bis Weihnachten zu überleben, dachte sie düster, oder Wie helfe ich meinem Mann, lange genug zu leben, um sein Kind zu sehen?
    In den vergangenen fünf Tagen hatte es keinerlei Veränderung gegeben. Es waren die fünf längsten Tage ihres Lebens gewesen. Fünf Tage auf einem Stuhl neben Nats Bett auf der blauen Intensivstation. Sie konnte kein Blau mehr sehen. Sie hatte das Blau der Wände satt, das

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