Und morgen in das kühle Grab
von meinem Gespräch mit den
Barlowes und der Begegnung mit Jack, dann setzte ich
hinzu:
»Nach allem, was ich über Nick Spencer in Erfahrung
gebracht habe, würde er niemals seinen Sohn im Stich
lassen. Er war ein rechtschaffener Mensch und widmete
sich mit Leib und Seele der Suche nach einem Heilmittel
gegen Krebs.«
»Ja, das glaube ich auch.« Holden beugte sich nach
vorne und legte seine Hände zusammen. »Nick war kein
Mensch, der ein Verschwinden vortäuschen würde. Somit
entbindet mich sein Tod von einem Versprechen, das ich
ihm gegeben habe. Ich hatte gehofft, dass man seine
Leiche finden würde, bevor ich mein Schweigen breche,
aber der Absturz ist jetzt fast einen Monat her, und
möglicherweise wird sie nie mehr auftauchen.«
»Was war das, was Sie ihm versprochen haben,
Mr. Holden?«, fragte Ken ruhig.
»Dass ich niemandem etwas davon erzählen würde, dass
er mir den Krebsimpfstoff injiziert hat, als ich im Hospiz
lag.«
Ken und ich hatten beide gehofft, dass Dennis Holden
den Impfstoff tatsächlich erhalten hatte und dies auch
zugeben würde. Doch es aus seinem eigenen Mund zu
hören, fühlte sich an, als ob man in einer Achterbahn die
letzte steile Rampe hinuntersausen würde. Wir starrten ihn
fassungslos an.
Dieser Mann war dünn, aber er wirkte ganz und gar nicht
zerbrechlich oder schwach. Er hatte eine gesunde, rosige
Hautfarbe. Ich begriff erst jetzt, warum seine Haare so
kurz waren – sie fingen gerade wieder an zu wachsen.
Holden erhob sich, trat auf den Kamin zu und nahm ein
gerahmtes Bild in die Hand, das auf dem Sims gelegen
hatte. Er reichte es Ken, der es zwischen uns hielt. »Dieses
Foto hat meine Frau bei dem Essen gemacht, von dem wir
glaubten, es würde mein letztes in diesem Haus sein.«
Hager. Ausgezehrt. Kahl. Auf dem Foto saß Dennis
Holden am Tisch, ein schwaches Lächeln im Gesicht. Das
offene Hemd schien viel zu groß für seinen zum Skelett
abgemagerten Körper zu sein. Seine Wangen waren
eingefallen, die Hände knochig. »Ich wog damals nur noch
sechsunddreißig Kilo«, sagte er. »Jetzt bin ich bei
vierundsechzig. Ich hatte Darmkrebs. Der Tumor wurde
zwar mit Erfolg operiert, aber der Krebs hatte sich schon
ausgebreitet. Er steckte überall in meinem Körper. Meine
Ärzte sagen, es grenze an ein Wunder, dass ich noch am
Leben sei. Nun, es ist wirklich ein Wunder, aber dieses
Wunder hat Gott über seinen Boten Nick Spencer
bewirkt.«
Ken konnte sich nicht vom Anblick des Fotos lösen.
»Wissen Ihre Ärzte, dass Sie den Impfstoff erhalten
haben?«
»Nein. Sie hatten natürlich keinen Grund, so etwas zu
vermuten. Sie sind nur sehr erstaunt, dass ich noch nicht
tot bin. Meine erste Reaktion auf den Impfstoff war, nicht
zu sterben. Dann spürte ich etwas Hunger und begann
wieder zu essen. Nick besuchte mich alle paar Tage hier
im Haus und hielt die Fortschritte auf einer Karteikarte
fest. Ich besitze eine Kopie davon. Ansonsten aber schwor
er mich auf absolute Geheimhaltung ein. Er sagte, ich
solle ihn niemals in seinem Büro anrufen oder dort eine
Nachricht für ihn hinterlassen. Dr. Clintworth vom Hospiz
äußerte den Verdacht, dass Nick mir den Impfstoff
verabreicht hätte, aber ich stritt es ab. Ich vermute, dass
sie mir nicht geglaubt hat.«
»Haben Ihre Ärzte Röntgenaufnahmen oder
Kernspintomographien angefertigt, Mr. Holden?«, fragte
Ken.
»Ja. Sie sprechen von einer spontanen Heilung, deren
Wahrscheinlichkeit bei etwa eins zu einer Billion liege.
Manche von ihnen schreiben gerade medizinische Artikel
über meinen Fall. Als Sie heute angerufen haben, war
mein erster Gedanke, Ihre Bitte um ein Gespräch
abzulehnen. Andererseits bin ich ein treuer Leser der Wall
Street Weekly, und ich kann es nicht mehr ertragen, dass
Nicks Name in den Schmutz gezogen wird. Daher hielt ich
den Zeitpunkt für gekommen, mich öffentlich zu äußern.
Vielleicht wirkt der Impfstoff nicht bei jedem, aber mir
gab er jedenfalls das Leben zurück.«
»Würden Sie mir die Notizen zeigen, die Nick über Ihre
Fortschritte gemacht hat?«
»Ich habe bereits eine Kopie davon gemacht, die ich
Ihnen mitgeben werde. Die Aufzeichnungen beschreiben,
wie der Impfstoff die Krebszellen angegriffen hat, indem
er sie zunächst umhüllte und dann erstickte. In diesen
Bereichen sind dann sofort gesunde Zellen
nachgewachsen. Ich bin am 10. Februar in das Hospiz
eingeliefert worden. Nick arbeitete dort als
Ehrenamtlicher. Ich hatte mich
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