Und morgen in das kühle Grab
herbeigeführt worden? War er noch an
Bord des Flugzeugs gewesen, als es abstürzte? Er fuhr
immer selbst mit dem Auto zum Flughafen. An jenem
Tag, als er nach Puerto Rico fliegen wollte, hatte er seine
Frau gebeten, ihn hinzufahren. Warum?
Ich rief beim Westchester Airport an. Dominick Salvio
war bei der Arbeit, ich wurde an ihn weiterverbunden und
erfuhr, dass er um zwei Uhr Feierabend habe.
Widerstrebend willigte er ein, sich auf eine Viertelstunde
mit mir im Terminal zu treffen.
»Nur eine Viertelstunde, Miss DeCarlo«, sagte er. »Mein
Sohn hat heute ein Spiel in der Juniorenliga, und das
möchte ich mir anschauen.«
Ich blickte auf die Uhr. Es war Viertel vor zwölf, und ich
war immer noch im Morgenmantel. Was ich an einem
Samstagmorgen am meisten genieße, selbst wenn ich an
meinem Schreibtisch arbeite, ist, dass ich mich nicht in
Eile duschen und anziehen muss. Jetzt aber wurde es Zeit.
Ich hatte keine Ahnung, wie die Verkehrsverhältnisse sein
würden, und plante anderthalb Stunden ein, um zum
Flughafen von Westchester zu gelangen.
Eine Viertelstunde später hätte ich wegen des
Höllenlärms, den der Föhn veranstaltete, um ein Haar das
Telefon überhört. Ken Page war dran. »Ich habe den
Krebspatienten gefunden, Carley«, sagte er.
»Wie heißt er?«
»Dennis Holden, ein achtunddreißigjähriger Ingenieur,
der in Armonk lebt.«
»Wie geht es ihm gesundheitlich?«
»Darüber wollte er nichts am Telefon sagen. Er wollte
zunächst überhaupt nicht mit mir sprechen, aber ich habe
ihn überredet, und schließlich hat er mich eingeladen, zu
ihm zu kommen.«
»Und was ist mit mir?«, fragte ich. »Ken, du hast doch
versprochen …«
»Moment, sachte. Es war nicht ganz einfach, aber er ist
einverstanden, dass du dabei bist. Wir können heute oder
morgen um drei Uhr kommen. Das ist ziemlich kurzfristig.
Hast du trotzdem Zeit? Mir sind beide Termine recht. Ich
soll ihn gleich wieder zurückrufen.«
Morgen war ich um drei Uhr mit Lynn verabredet und
diesen Termin wollte ich nicht verschieben. »Heute wäre
perfekt«, sagte ich.
»Bestimmt hast du die Nachrichten über diesen Cooper
gehört. Fünf Tote, nur weil die Gen-stone-Aktie kollabiert
ist.«
»Sechs«, korrigierte ich. »Seine Frau war auch ein
Opfer.«
»Stimmt, da hast du Recht. Okay, ich rufe Holden an,
sag ihm, dass wir kommen, lass mir erklären, wie man
hinfindet und ruf dich gleich wieder zurück.«
Ken meldete sich ein paar Minuten später erneut. Ich
notierte Dennis Holdens Adresse und Telefonnummer,
föhnte meine Haare fertig, legte ein Minimum an Make-up
auf, wählte einen stahlblauen Hosenanzug aus – ein
weiteres Schnäppchen aus dem letzten
Sommerschlussverkauf – und zog los.
Nach allem, was ich über Ned Cooper erfahren hatte,
spähte ich zuerst einmal vorsichtig nach draußen, als ich
die Haustür öffnete. Diese alten Brownstones haben hohe,
recht schmale Eingangstreppen, und das bedeutete, dass
ich ein kaum zu verfehlendes Ziel abgab, falls es jemand
auf mich abgesehen hatte. Auf der Straße rollte der
Verkehr. Es waren ziemlich viele Fußgänger auf dem
Bürgersteig vor dem Haus unterwegs, und in den Autos,
die in der Nähe des Hauses parkten, konnte ich niemanden
entdecken. Das Ganze sah nicht gerade bedrohlich aus.
Dennoch rannte ich die Stufen hinunter und lief im
Eilschritt zu meiner Garage drei Blocks weiter. Ich hastete
im Zickzackkurs zwischen den Leuten hindurch, die die
Straße hinunterschlenderten, und die ganze Zeit über hatte
ich deswegen ein schlechtes Gewissen. Wenn mich Ned
Cooper tatsächlich im Visier haben sollte, setzte ich die
anderen Fußgänger einer echten Gefahr aus.
Westchester County Airport befindet sich am Rande von
Greenwich, der Stadt, die ich vor weniger als
vierundzwanzig Stunden besucht hatte und in die ich
morgen mit Casey zurückkehren würde, zum Dinner bei
seinen Freunden. Ich wusste, dass der Airport ursprünglich
einmal ein idyllisches Flugfeld gewesen war, den man in
erster Linie für die wohlhabenden Einwohner der Gegend
gebaut hatte. Inzwischen war er zu einem größeren
Flughafen angewachsen, der von Tausenden von
Reisenden, und nicht nur von den vermögenden,
frequentiert wurde.
Um 14.04 Uhr traf ich mit Dominick Salvio in der
Terminalhalle zusammen. Er war ein breitschultriger
Mann mit Vertrauen erweckenden braunen Augen und
einem ungezwungenen Lächeln. Er strahlte die
zuversichtliche Ruhe eines Mannes aus, der genau
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