Und morgen in das kühle Grab
Gewissheit
darüber zu erlangen, ob ihr Mann noch am Leben war oder
nicht.
Es gab eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter, und es
war diejenige, die ich erhofft hatte. Ich sollte bitte Will
Kirby vom Wall Street Weekly zurückrufen.
Will Kirby war der Chefredakteur. Mit zittrigen Fingern
drückte ich die Tasten. Ich war Kirby ein paar Mal bei
großen Versammlungen begegnet, aber wir hatten nie
richtig miteinander gesprochen. Als seine Sekretärin mich
verband und er sich meldete, war mein erster Gedanke,
dass seine Stimme zu seinem Körper passte. Er war ein
breitschultriger Mann, Mitte fünfzig, und seine Stimme
war tief und kräftig. Sie besaß einen herzlichen, warmen
Klang, obwohl es von ihm hieß, er sei ein ziemlich
nüchterner Mensch.
Er verschwendete keine Zeit auf einleitende Floskeln.
»Carley, könnten Sie morgen Vormittag zu einem
Gespräch kommen?«
Nichts lieber als das, dachte ich. »Ja, das ginge,
Mr. Kirby.«
»Würde Ihnen zehn Uhr passen?«
»Ja, natürlich.«
»Schön. Bis morgen dann.«
Klick.
Zwei Leute von der Zeitung hatten bereits ein
Bewerbungsgespräch mit mir geführt, was bedeutete, dass
es morgen um alles oder nichts gehen würde. In Gedanken
durchforstete ich meinen Kleiderschrank. Für das
Gespräch würde ein Hosenanzug wahrscheinlich besser
passen als ein Rock.
Der grau gestreifte Escada-Anzug, den ich im letzten
Sommerschlussverkauf erstanden hatte, wäre genau das
Richtige. Wenn es aber draußen wieder so kühl wie
gestern sein sollte, wäre er zu dünn. In diesem Fall würde
ich mich für den dunkelblauen entscheiden.
Ich hatte schon lange nicht mehr diese Mischung aus
Prüfungsangst und Vorfreude verspürt. Obwohl ich die
wöchentliche Kolumne immer sehr gerne geschrieben
hatte, reichte das auf die Dauer einfach nicht aus, um mich
zufrieden zu stellen. Es wäre vielleicht etwas anderes
gewesen, wenn es sich um eine tägliche Kolumne
gehandelt hätte, aber eine Wochenbeilage mit ihrer langen
Produktionszeit stellt keine wirkliche Herausforderung
mehr dar, wenn man einmal den ersten Anfängen
entwachsen ist. Zwar bekam ich von Zeit zu Zeit
zusätzlich Aufträge von verschiedenen Zeitschriften, um
Porträts von Leuten aus der Wirtschaft und Finanzwelt zu
schreiben, aber auch damit war ich nicht wirklich
ausgelastet.
Ich rief in Boca Raton an. Mom war nach der Hochzeit
in Roberts Wohnung eingezogen, weil sie eine großartige
Aussicht auf das Meer besaß und größer als die ihrige war.
Was mir daran nicht gefiel, war, dass ich von nun an jedes
Mal, wenn ich zu Besuch kam, in »Lynns Zimmer«
schlafen musste.
Nicht dass sie je dort wirklich gewohnt hätte. Sie und
Nick hatten immer eine Suite im Luxushotel Boca Raton
Resort gemietet, wenn sie zu Besuch waren. Aber Moms
Umzug bedeutete, dass ich bei meinen Besuchen übers
Wochenende ständig mit der Tatsache konfrontiert war,
dass Lynn dieses Zimmer für sich selbst eingerichtet hatte,
bevor sie Nick heiratete. Es war ihr Bett, in dem ich
schlief, es waren ihre blassrosa Bettlaken und
spitzenbesetzten Kissenbezüge, die ich benutzte, ihre teuren Badetücher mit ihrem Monogramm, in die ich mich
nach dem Duschen hüllte.
Es war sehr viel schöner gewesen, als ich noch auf dem
Schlafsofa in Moms alter Wohnung übernachten konnte.
Natürlich hatte die Sache auch eine gute Seite: Mom war
glücklich, und ich mochte Robert Hamilton wirklich
gerne. Er war ein angenehmer, ruhiger Mensch, der nichts
von der Arroganz besaß, die Lynn bei unserem ersten
Zusammentreffen mir gegenüber gezeigt hatte. Mom hat
mir erzählt, dass Lynn versucht hatte, ihn mit einer der
wohlhabenden Witwen im nahe gelegenen Palm Beach
zusammenzubringen, er jedoch dafür kein Interesse
gezeigt hatte.
Ich nahm den Hörer auf, drückte die Eins und ließ die
Wahlautomatik den Rest erledigen. Robert meldete sich
am anderen Ende. Natürlich hatte er sich die größten
Sorgen um Lynn gemacht, und ich war froh, ihn mit der
Nachricht beruhigen zu können, dass sie bald
wiederhergestellt sein würde und das Krankenhaus in
wenigen Tagen verlassen könnte.
Abgesehen von der Tatsache, dass er sich Sorgen um
seine Tochter gemacht hatte, spürte ich, dass ihm noch
etwas anderes auf dem Herzen lag. Schließlich rückte er
damit heraus: »Carley, du hast Nick doch kennen gelernt.
Ich kann einfach nicht glauben, dass er ein Betrüger sein
soll. Mein Gott, er hat mich dazu überredet, fast meine
gesamten Ersparnisse in Gen-stone zu stecken. Kannst du
dir vorstellen,
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