Und morgen in das kühle Grab
Ihr Ton war
freundlich, aber bestimmt.
»Miss Fess, mir ist bewusst, dass Sie einen großen Teil
Ihrer Zeit dem Krankenhaus opfern. Mir ist auch bekannt,
dass der Bau der pädiatrischen Klinik zurückgestellt
werden musste wegen der Investition in Gen-stone-Aktien.
Ich möchte mit Ihnen reden, weil ich der Ansicht bin, dass
die wahre Geschichte über das Verschwinden von
Nicholas Spencer noch nicht ans Tageslicht gekommen ist
und man, falls sie aufgedeckt wird, eventuell dieses Geld
wieder aufspüren könnte.«
Ich bemerkte ihr Zögern. »Nicholas Spencer ist in der
Schweiz gesehen worden«, sagte sie. »Und ich frage mich,
ob er sich gerade ein Chalet kauft von dem Geld, das
unzähligen Kindern das Leben gerettet hätte.«
»Vor nur zwei Tagen hatten wir angeblich sichere
Beweise, dass er tot ist«, gab ich zu bedenken. »Und jetzt
das. In Wirklichkeit kennen wir die ganze Geschichte
noch nicht. Ich bitte Sie, könnten wir uns nicht ein paar
Minuten unterhalten?«
Der frühe Nachmittag war sichtlich nicht die Stoßzeit für
Krankenhausbesuche. Miss Fess wandte sich an ihre
Kollegin. »Ich bin gleich wieder zurück, Margie.«
Wir setzten uns in eine Ecke der Empfangshalle. Sie war
sichtlich darauf bedacht, unser Gespräch möglichst knapp
zu halten. Deshalb behielt ich den Verdacht für mich, dass
die Sache mit Dr. Broderick möglicherweise gar kein
Unfall gewesen war. Ich erzählte ihr allerdings, dass ich
vermutete, Nicholas Spencer habe bei der Ehrenfeier
etwas erfahren, was ihn veranlasste, am nächsten Morgen
in großer Eile zu Dr. Broderick zu fahren, um dort alte
Aufzeichnungen seines Vaters abzuholen. Danach
beschloss ich, einen Schritt weiterzugehen: »Miss Fess,
Spencer war offenbar tief erschrocken darüber, dass
jemand anders diese Aufzeichnungen bereits an sich
genommen und behauptet hatte, in seinem Auftrag zu
handeln. Wenn ich herausfinden könnte, wer die Person
war, die ihm diese beunruhigende Information bei der
Feier gegeben hat, und wer es war, den er am nächsten
Tag besuchte, nachdem er Dr. Broderick verlassen hatte,
dann könnten wir vielleicht eine Vorstellung davon
bekommen, was tatsächlich mit ihm und dem fehlenden
Geld geschehen ist. Haben Sie vielleicht an jenem Abend
länger mit Spencer gesprochen?«
Sie machte ein nachdenkliches Gesicht. Ich hatte das
Gefühl, dass Kay Fess zu den Menschen gehörte, denen
nie etwas entgeht. »Die Leute, die später auf dem Podium
saßen, haben sich eine halbe Stunde vor dem Beginn in
einem privaten Empfangsraum versammelt, damit Fotos
gemacht werden konnten. Da wurden auch Cocktails
serviert. Nicholas Spencer stand natürlich im Mittelpunkt
der Aufmerksamkeit«, sagte sie.
»Wie würden Sie sein Verhalten zu Beginn des Abends
beschreiben? Wirkte er entspannt?«
»Er war herzlich, zuvorkommend – wie man es von
jemandem, der eine Ehrung empfängt, erwarten würde. Er
hatte dem Verwaltungsdirektor einen Scheck über
hunderttausend Dollar überreicht, als Spende für den
Neubau, wollte aber nicht, dass dies auf der Feier bekannt
gegeben würde. Er sagte, wenn der Impfstoff erst
zugelassen sei, würde er imstande sein, ihnen das
Zehnfache an Spenden zukommen zu lassen.«
Sie kniff die Lippen zusammen. »Er war ziemlich
überzeugend als Hochstapler.«
»Aber Ihnen ist nicht aufgefallen, dass er zu diesem
Zeitpunkt mit irgendjemandem im Besonderen gesprochen
hat?«
»Nein, aber was ich Ihnen sagen kann, ist, dass er sich,
kurz bevor der Nachtisch serviert wurde, mindestens zehn
Minuten lang mit Dora Whitman unterhalten hat und dass
er ihr sehr aufmerksam zuzuhören schien.«
»Haben Sie eine Ahnung, worüber sie geredet haben
könnten?«
»Ich saß rechts von Reverend Howell, der sich erhoben
hatte, um ein paar Freunde zu begrüßen. Dora saß links
von ihm, ich konnte sie also recht gut verstehen. Sie
erwähnte jemanden, der Dr. Spencer, Nicholas’ Vater, in
den höchsten Tönen gelobt hatte. Sie erzählte Nicholas,
dass diese Frau ihr versichert hätte, Dr. Spencer habe ihr
Baby von einem angeborenen Defekt geheilt, der das
Leben des Kindes zerstört hätte.«
Sofort wusste ich, dass dies das gesuchte Verbindungsglied sein musste. Ich erinnerte mich auch, dass ich die
Whitmans nicht hatte erreichen können, weil ihre Nummer
nicht in den Telefonverzeichnissen stand. »Miss Fess, falls
Sie die Telefonnummer von Mrs. Whitman kennen,
könnten Sie sie bitte anrufen und fragen, ob ich so
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