Und morgen in das kühle Grab
Kriminalbeamte bei mir, die
mich über sie ausgefragt haben, aber sie haben mir nicht
gesagt, was los ist. Ist irgendetwas mit ihr passiert?«
»Warten Sie eine Sekunde, Ned.«
Ihm war, als ob Brown die Muschel mit der Hand
abdeckte und mit jemandem sprach. Dann war Detective
Carson am Telefonhörer.
»Mr. Cooper, es tut mir Leid, Ihnen sagen zu müssen,
dass Mrs. Rice gestern ermordet wurde.«
Ned war sich sicher, dass Carsons Stimme jetzt
freundlicher klang. Er hatte Recht gehabt: Ihnen war
aufgefallen, dass er nicht nach Peg gefragt hatte. Er sagte
Carson, dass ihm das sehr Leid tue, und bat ihn, auch Doc
Brown auszurichten, dass es ihm sehr Leid tue, und
Carson sagte, wenn ihm noch irgendetwas einfalle, auch
wenn es ihm nicht wichtig erscheine, möge er sie bitte
anrufen.
»Mach ich«, versicherte Ned. Nachdem er aufgelegt
hatte, ging er hinüber ans Fenster. Sie würden
wiederkommen, das war klar. Aber für den Augenblick
war alles in Ordnung. Eines aber musste er unbedingt tun:
Er musste das Gewehr verschwinden lassen. Er konnte es
nicht länger im Auto lassen, auch nicht hinter dem ganzen
Krempel in der Garage. Wo sollte er es verstecken? Er
benötigte einen Ort, wo niemand danach suchen würde.
Er blickte auf das schäbige kleine Rasenstück vor dem
Haus. Es war matschig und ungepflegt und erinnerte ihn
an Annies Grab. Sie war im Grab seiner Mutter beigesetzt
worden, im alten Friedhof der Stadt. Fast niemand
benutzte diesen Friedhof noch. Er wurde nicht gepflegt,
und alle Gräber machten einen vernachlässigten Eindruck.
Letzte Woche, als er zuletzt da gewesen war, war Annies
Grab noch unverändert gewesen, nicht einmal die
aufgeworfene Erde hatte sich abgesenkt. Sie war weich
und schlammig, und es sah aus, als ob sie unter einem
Haufen Schmutz begraben läge.
Ein Haufen Schmutz … Es war, als ob ihm jemand eine
Antwort gegeben hätte. Er würde das Gewehr und die
Munition in Plastiktüten und in eine alte Decke wickeln
und sie in Annies Grab eingraben, bis die Zeit käme, sie
wieder zu benutzen. Und dann, wenn alles vorbei sein
würde, würde er zurückkehren, sich auf das Grab legen
und Schluss machen. »Annie«, rief er, so wie er sie immer
gerufen hatte, wenn sie in der Küche war, »Annie, bald
werde ich bei dir sein, das versprech ich dir.«
28
KEN UND DON WAREN BEIDE nicht mehr im Büro,
als ich sie auf dem Rückweg von Caspien anrief, deshalb
fuhr ich direkt nach Hause. Ich hatte beiden jedoch eine
Nachricht hinterlassen, und sie meldeten sich am Abend
bei mir. Wir verabredeten, uns am nächsten Morgen schon
um acht Uhr zu treffen, um alles in Ruhe und mit
möglichst klarem Kopf zu besprechen.
Ich arbeitete an meiner Kolumne und wurde wieder
einmal an den Kampf erinnert, den neunundneunzig
Prozent aller Menschen jeden Tag austragen müssen, um
Ausgaben und Einnahmen im Gleichgewicht zu halten. Ich
ging einen neuen Stapel E-Mails durch in der Hoffnung,
dass etwas von dem Unbekannten dabei sei, der
geschrieben hatte, er habe jemanden aus dem Haus in
Bedford kommen sehen, bevor das Feuer ausgebrochen
war, aber es gab keine weitere Nachricht von ihm.
Beziehungsweise von ihr, fügte ich in Gedanken hinzu.
Um zwanzig vor elf hatte ich meine Kolumne beendet.
Ich stand auf, wusch mir das Gesicht, zog mir Nachthemd
und Morgenmantel an, bestellte telefonisch eine kleine
Pizza und schenkte mir ein Glas Wein ein. Das Timing
hätte nicht besser sein können. Das Restaurant befand sich
gleich um die Ecke, an der Third Avenue, und die Pizza
kam genau in dem Moment, als die Elf-Uhr-Nachrichten
anfingen.
Die Hauptnachricht beschäftigte sich mit Nick Spencer.
Die Presse hatte inzwischen eine Verbindung zwischen
dem Bericht, dass er möglicherweise in der Schweiz
gesehen worden war, und dem Verschwinden von Vivian
Powers hergestellt. Fotos von ihnen wurden eingeblendet,
und die Überschrift der Meldung lautete: »Bizarre neue
Wende im Fall Spencer«. Im Wesentlichen wurde
berichtet, die Polizei von Briarcliff Manor bezweifle, dass
Vivian Powers tatsächlich entführt worden sei.
Ich hielt es für zu spät, um Lynn anzurufen. Bei näherer
Betrachtung musste diese neue Geschichte eigentlich ihre
Behauptung stützen, dass sie nicht im Geringsten in die
Pläne ihres Mannes eingeweiht war. Wenn jedoch
tatsächlich jemand das Herrenhaus wenige Minuten vor
dem Brand verlassen hatte, dann konnte man auch die
Möglichkeit ins Auge fassen, dass sie
Weitere Kostenlose Bücher