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Und morgen seid ihr tot

Und morgen seid ihr tot

Titel: Und morgen seid ihr tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Widmer; David Och
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Beifahrersitz, Omera setzt sich ans Steuer und lässt sich von dem kleinen Mann, der sich offensichtlich in dieser Gegend bestens auskennt, dirigieren.
    Man hat mir einen weißen Turban gebunden, um meine blonden Haare zu verstecken. In der Dämmerung erreichen wir ein kleines Gehöft aus beigefarbenem Stein. Die Männer verschwinden hinter einer Hütte, um sich zu erleichtern. Wir dürfen ebenfalls hinter die Hütte treten. Aber nicht gemeinsam. Sie halten David fest und machen Zeichen, ich müsse alleine gehen. Die wenigen Augenblicke, die David nicht bei mir ist, die ich alleine in dieser öden, menschenleeren Landschaft stehe, zehren all meine Widerstandskraft auf. Es ist, als wollte diese Landschaft mich zerstören. In der Schweiz sieht man Weiden, Straßen, rauchende Schlote, Berggipfel, Bahngleise, Strommasten. Alles kommt einem geordnet und sinnvoll vor, und das Panorama überragt die Muster der Zivilisation wie ein erhabenes Geschenk.
    Hier ist die Landschaft feindselig. Nicht einmal für den Wind scheint es eine Angriffsfläche zu geben, an der er sich reiben, über die er fauchen oder zischeln könnte. Stille. Leere. »Nachdem Gott die Welt erschaffen hatte, war noch ein bisschen Schutt übrig. Er schmiss ihn auf die Erde, und wo er landete, entstand Afghanistan«, stand in einem unserer Reiseführer.
    Mir fällt erneut Jack Johnson ein, wie er mit eleganten Schwüngen seines Surfbretts in eine Welle eintaucht, sich durch den Luftdruck wieder hinauskatapultieren lässt, wie er einen Moment lang auf dem Wellenkamm steht, zu fliegen scheint, vollkommen schwerelos und frei. Eine Melodie geht mir durch den Kopf, aber ich kann nicht singen.
    Die Männer sitzen in der Hütte. Omera, den Anführer, haben wir für uns »Junkie« getauft. Neben ihm sitzt seine rechte Hand, Adekka oder »Rotchäppli«, der Mann mit roter Mütze. Dann ist da noch Manora, alias »Krustenfuß«, der hagere, große Mann mit den knochigen, von rissiger Hornhaut überzogenen Füßen, außerdem ein Mann mit einem Drei-Tage-Bart und dem Gesicht eines Süditalieners: Subera. Er wird eines Tages mit einer Ziege anmarschieren und daraufhin den Namen »Geißenpeter« bekommen. Khaled, der Dicke, der bei uns im Kofferraum gekauert hat, wird bei unserer weiteren Verschiebung als Koch dienen. Atschi, der sechste Mann, scheint hier zu Hause zu sein. Er bringt Essen, und wir setzen uns an die Außenmauer des kleinen Gehöfts, in dem offensichtlich seine Familie und seine Viehherde leben. Aber ich habe keinen Hunger, obwohl Geißenpeter mir die schönsten Stücke auf mein Fladenbrot legt. David nimmt sich ebenfalls von dem Fleisch und kaut es mechanisch. Sein Blick sagt mir, ich müsse essen, und so tue ich ihm den Gefallen.
    Ich spüre nichts als unendliche Müdigkeit. Inzwischen sind noch zwei weitere Fremde aufgetaucht, ebenfalls schwer bewaffnet. Die Gruppe verfügt über Kalaschnikows, Handgranaten, eine Panzerfaust, Sprengstoffwesten und Pistolen. Junkie hat außerdem ein amerikanisches M16-Sturmgewehr, wahrscheinlich eine Kriegsbeute, an der er besonders zu hängen scheint. Die Männer tragen Sackhosen, genannt »Shalwar«, und darüber einen »Sherwani« oder »Kamiz«, ein fast knielanges Hemd. Den Kopf haben einige mit einem Tuch bedeckt, andere tragen kreisrunde Hüte. Abgesehen von ihren kurzen Bärten sehen sie aus wie die Gotteskrieger, die wir von Fernsehbildern, aus Bekennervideos und Terrormeldungen kennen. David fragt sie, ob sie Taliban-Kämpfer seien. Junkie schüttelt den Kopf. »Nein«, sagt er, »keine Taliban.« Was sie dann sind, und was sie mit uns vorhaben, verrät er nicht.
    Auf den Kissen, durch die die Wärme der Steine drang, bin ich, an David gelehnt, sofort in einen tiefen, bleischweren Schlaf gefallen. Nun zwinge ich mich, meine Benommenheit abzuschütteln, denn wir müssen laufen und einen Teil des Gepäcks tragen. In der Nähe knattert ein Mopedmotor, über uns wölbt sich ein strahlender Sternenhimmel, wie ich ihn nie zuvor gesehen habe. Als hätte man eine pechschwarze Leinwand, hinter der ein gewaltiger Scheinwerfer steht, perforiert. Das Licht lässt die Steine auf dem Boden gräulich schimmern. Der Hirte führt die Gruppe an, danach kommen Junkie und Geißenpeter, dann David und ich. Die anderen Männer bilden die Nachhut. Ich höre ihre Schritte im Geröll, das Metall der Waffen, und immer wieder frage ich David: »Werden sie uns von hinten erschießen?«
    »Nein«, sagt er, wenig überzeugt.
    Am Horizont

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