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Und Nachts die Angst

Und Nachts die Angst

Titel: Und Nachts die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Norton
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Gitarrenmusik, die live gespielt wird. Ohne Verzögerung führt man sie an einen Tisch neben einer Wandmalerei, die ein italienisches Dorf darstellt. Während sie in die Karte sehen, geht ein gutgekleideter Mann, der offenbar der Besitzer ist, von Tisch zu Tisch, begrüßt die Gäste und bringt Körbe mit frischem, warmem Brot.
    Die Klientel besteht hauptsächlich aus Paaren, die meisten Männer sind glatt rasiert. Reeve entdeckt nur eine Baseballkappe und einen einzigen Mann mit Schnurrbart. Sie taucht ein knuspriges Brotstück in ein Schälchen mit Olivenöl, probiert es und stößt einen anerkennenden Laut aus.
    Nachdem sie bestellt haben, ergreift Dr. Lerner das Wort. »Wir haben noch nicht viel Zeit gehabt, uns unter vier Augen zu unterhalten. Also – was sagen Sie zu Tilly?«
    Auf dieser Frage kaut sie schon eine ganze Weile herum. In Tilly hat sie zum ersten Mal jemanden kennengelernt, der eine sehr, sehr ähnliche Vergangenheit hat wie sie: Tillys Geschichte wiederholt die ihre auf mehr als nur einer Ebene. »Sie ist still, aber viel stärker, als ich es erwartet hatte. Stärker, als ich es war.«
    »Sie waren in einem sehr viel schlimmeren körperlichen und seelischen Zustand, Reeve. Außerdem hat Ihre Gefangenschaft länger gedauert und war in vieler Hinsicht traumatischer.«
    Reeve streicht über die taube Stelle, die an den Narben an ihrem linken Handgelenk anfängt und sich bis in die Spitze des kleinen Fingers zieht. Sie hat nie genau sagen können, ob die engen Handschellen diese Nervenschädigung verursacht haben oder der Bruch, den sie sich zuzog, als sie sich einmal heftig wehrte. »Wir haben einige ähnliche Narben«, sagt sie. »Aber ich wollte damals partout nicht mit dem Staatsanwalt reden, wissen Sie noch?«
    »Was uns zum Thema Gerichtsverfahren bringt. Für Sie war das eine langwierige und sehr schreckliche Sache, und ich finde es umso ungewöhnlicher, dass Tilly selbst um ein Treffen mit Jackie Burke gebeten hat.«
    »Ja, das kam mir auch seltsam vor. Als hätte sie es wirklich eilig, das Ganze hinter sich zu bringen.«
    »Kann ja sein.« Er taucht ein Stück Brot ins Öl und steckt es nachdenklich in den Mund.
    »Na ja, mit dieser Aussage hat sie nun wenigstens das Schlimmste hinter sich. Zumindest bis zur Verhandlung.«
    Reeve schaut auf, als drei neue Gäste durch die Tür kommen, dann lehnt sie sich zurück und sieht sich um. Das Interieur bildet eine gemütliche, etwas merkwürdige Mischung aus Americana und rustikaler Toskana. Die Tische sind mit traditionellen karierten Tischtüchern gedeckt, und auf jedem stehen ungewöhnliche Salz- und Pfefferstreuer. Auf ihrem sind es Kuh und Mond.
    Ihr Essen kommt, und sie machen sich mit hungriger Hingabe darüber her. Nach ein paar schweigend genossenen Bissen fragt Dr. Lerner: »Wie ist das Risotto?«
    »Großartig. Und Ihre Ravioli?«
    »Hervorragend.« Er hebt das Glas Chianti in ihre Richtung. »Und – wie finden Sie Tillys neue Frisur?«
    »Sie wirkt wie ein dünner, dunkelhaariger Justin Bieber, finden Sie nicht?«
    »Und was sagen Sie zu der Farbe?«
    »Die meiner so ähnlich ist, meinen Sie? Schwer, das nicht zu bemerken.«
    »Hatten Sie einen schönen Tag miteinander?«
    »Na ja, ich denke, wir verstehen uns ganz gut.« Sie verzieht das Gesicht. »Ihr Bruder ist allerdings ein Kapitel für sich.«
    »Eine solche Sache ist auch für Geschwister schwierig, vor allem für Jungen in dem Alter. Wahrscheinlich sieht er sich in der Schule tagtäglich den merkwürdigsten Reaktionen ausgesetzt. Natürlich will er seine Schwester beschützen, weiß aber nicht, wie er sich verhalten soll.«
    »Meinen Sie? So simpel ist es?«
    »Sie sehen ja, dass selbst Erwachsene arge Schwierigkeiten haben können, mit solchen Situationen umzugehen. Weswegen die Cavanaughs auch so zu schätzen wissen, dass Sie Tilly helfen.«
    Sie lächelt flüchtig. »Es ist ein bisschen, als würden wir zum selben Stamm gehören.«
    »Sie sind beide Überlebende.« Er trinkt einen Schluck Wein. »Irgendwelche Alpträume in letzter Zeit?«
    »Es ist komisch, aber seit ich hergekommen bin, hatte ich keinen einzigen.«
    »Komisch inwiefern?«
    »Na ja, als ich das von Tilly zum ersten Mal hörte, war ich ziemlich fertig. Aber seit ich hier bin und sie kennengelernt habe, geht’s mir eigentlich ziemlich gut.« Sie hat schlimme Nächte erwartet, doch bis auf die eine oder andere unruhige Stunde hat sie tief und traumlos geschlafen.
    »Und warum, denken Sie, ist das so?«
    Sie

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