Und Nachts die Angst
und durch den Graben holpert. Die Reifen greifen in den Asphalt, und ihre schweißfeuchten Hände umklammern das Lenkrad, als sie zurückblickt, das Aufblitzen sieht und fast zeitgleich das Krachen des Schusses hört.
Sobald sie den Weg zum Freeway gefunden hat, fährt Reeve rechts ran. Sie zittert. Nicht zu fassen, dass sie so dumm gewesen ist! Sie nimmt das Telefon, schickt einen Dank gen Himmel, dass sie Empfang hat, und schreibt Nick Hudson eine SMS.
Muss mit Ihnen reden. Haben Sie Zeit?
Erleichtert, in der Ferne Scheinwerfer zu sehen, legt sie das Telefon auf den Beifahrersitz und beschleunigt auf der Auffahrt. Nur weg aus dieser gottverlassenen Gegend. Die ganze Fahrt zurück in die Stadt denkt sie über das nach, was eben geschehen ist.
Aber irgendwie klingt es nicht richtig, als sie es Hudson zu erklären versucht.
»Moment mal, nur dass ich das richtig verstehe«, unterbricht er sie. »Sie haben die Maklerin gebeten, Ihnen eine Liste von Häusern mit Keller auszudrucken, und sind dann losgerannt, um was genau zu tun? Zu ermitteln? Sehe ich das richtig?«
»Na ja, wahrscheinlich muss man es so sehen.«
»Ich kann einfach nicht glauben, was Sie mir da erzählen. Ich dachte, Sie kommen her, um sich zu beschweren, dass Ihre wahre Identität durchgesickert ist.«
Sie macht eine wegwerfende Geste. »Das ist jetzt nicht so wichtig.«
»Wir haben das jedenfalls nicht zu verantworten, glauben Sie mir.«
»Sagen Sie mal, hören Sie eigentlich nicht zu? Man hat auf mich geschossen!«
Er zieht ein Gesicht, das sie bei ihm noch nie gesehen hat, und schüttelt den Kopf. »›Man‹ war ein Fremder im Halbschatten an einer Straße, die Sie nicht näher bezeichnen können.«
Sie sieht ihn wütend an.
Er blickt zur Seite und stößt geräuschvoll die Luft aus.
»Sie müssen etwas unternehmen. Die Sache ist ernst.«
»Reeve, hören Sie … Ich bin kein Detective. Ich bin Jackie Burkes Büro zugeteilt worden und keine sechs Wochen dabei. Was erwarten Sie von mir?«
»Ich erwarte von Ihnen, dass Sie tun, was die Polizei eben tut. Ich will, dass Sie sich der Sache annehmen und den Kerl finden.«
»Sie können Anzeige erstatten, aber wie Sie schon sagten, Sie wissen ja nicht einmal, wo Sie waren. Und wenn man den mysteriösen Mann findet, dann steht noch immer Ihr Wort gegen seins.«
»Er hat auf mich geschossen!«
»Okay, aber schauen Sie – er hat ja nicht getroffen, oder? Und Ihr Wagen hat auch nichts abbekommen. Also selbst wenn ich Ihnen glaube – und das tue ich, okay? –, wer außer mir soll das tun? Es tut mir leid, aber Sie haben keinerlei Beweis. Sie können nicht erwarten, dass die Polizei im Wald rumtrampelt und jeden Jäger mit Gewehr verdächtigt.«
»Das meine ich nicht, und das wissen Sie auch.«
»Also schön, fangen wir noch einmal von vorne an. Können Sie den Mann beschreiben?«
Sie stößt ein Knurren aus, doch dann ruft sie sich in Erinnerung, dass das Büro fast leer und er extra noch geblieben ist, um sich mit ihr zu treffen. Sie atmet tief ein und versucht zu erklären, was geschehen ist, ohne einen Bogen zu Tilly zu schlagen. Aber wieder schafft sie es nicht, es ihm so zu vermitteln, wie sie es empfindet, und schließlich macht sie den Fehler und sagt: »Ich will doch nur darauf hinaus, dass Emily Ewing tot ist, und ich glaube, dass sie umgebracht wurde.«
»Was?«
»Um sie zum Schweigen zu bringen. Begreifen Sie es denn nicht? Emily Ewing wurde getötet, weil sie etwas wusste.«
Hudson setzt sich, stützt die Ellbogen auf den Tisch und legt das Gesicht in die Hände. »Ich fass es einfach nicht. Jetzt erzählen Sie mir also, Sie hätten Hinweise auf einen Mord?«
»Na ja, ich weiß, dass es verrückt klingt, aber hören Sie zu, ich glaube …«
»Ihnen ist aber durchaus klar, dass wir hier so etwas wie eine Mordkommission haben, ja?« Er bedenkt sie mit einem entnervten Blick. »Wissen Sie, wie so was läuft? Es mag vielleicht schwer vorstellbar sein, aber Zivilisten sind dabei nicht wirklich zum Mitmachen eingeladen.«
Sie schließt einen Moment lang die Augen und versucht es mit einer sanfteren Methode. »Denken Sie wenigstens darüber nach, okay? Könnten Sie nicht irgendwas überprüfen oder nachsehen oder so?«
Mit einem Achselzucken fährt er den Computer hoch und klickt sich durch verschiedene Fenster. Aber nach ein paar Minuten schüttelt er den Kopf. »Hier ist der Bericht. Emily Ewings Tod war ein Unfall. Sie ist gestürzt, hat sich den Kopf aufgeschlagen und
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