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Und Nachts die Angst

Und Nachts die Angst

Titel: Und Nachts die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Norton
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dickes Schloss mit einem Code, wie es Makler verwenden.
    Sie legt das Gesicht an den Maschendraht und atmet den dumpfen, metallischen Geruch ein. Alles ist dunkel und verlassen. Soweit sie sehen kann, hat bereits jemand das Haus ausgeräumt und den Müll weggeschafft.
    In der Hoffnung auf einen Glücksfall wie beim letzten Mal mit den Schiebetüren, umrundet Reeve das Haus und stößt an der Seite auf ein unverriegeltes Törchen, durch das sie in den Garten gelangt. Das Grundstück ist vernachlässigt und mit Unkraut zugewachsen, hier und da stehen geborstene Terracottatöpfe herum, vermutlich die Überbleibsel engagierter Vormieter. Nur der Maschendrahtzaun sieht neu aus.
    Leider verfügt das Haus über keine Schiebetüren, nur über eine solide Holztür, die in der Farbe getrockneten Eigelbs gestrichen ist. Sie steigt die Stufen zum Betonvorbau hinauf und probiert den Knauf. Abgeschlossen. Sie verlässt die hintere Veranda und erstarrt, als sie das Geräusch einer zufallenden Autotür hört.
    Eine vollkommen unbegründete Angst, sagt sie sich. Sie lauscht auf die Schritte, die sich nähern, und versucht, sich zu entspannen.
    Das Tor gibt einen metallischen Klang von sich, und ein riesiger Mann mit Baseballkappe biegt um die Ecke.
    Sie mustern einander quer über das Grundstück hinweg, und ihr Puls beginnt zu jagen. Sie hat keine Waffe und blickt hastig über ihre Schulter, wie weit der nächste Terracottatopf entfernt ist. Instinktiv nimmt sie eine Kampfposition ein. Ihre Ellbogen sind spitz, die Stiefel schwer, und sie ruft sich die Grundlagen aus dem Selbstverteidigungskurs ins Gedächtnis, den sie vor Jahren absolviert hat: Augen, Spann, Kehle, Eier.
    »Jetzt schauen Sie mich doch nicht so ängstlich an«, sagt er und kommt näher.
    Sie sieht sich zum Zaun um und weicht zurück. Ist hinter ihr auch noch ein Tor? »Ich habe kein Auto kommen hören«, sagt sie, um Zeit zu schinden.
    »Ein Prius. Unheimlich leise, ich weiß.« Er bleibt stehen. »Sie erkennen mich nicht, oder?«
    Er ist groß wie ein Bär. Sie schluckt und schüttelt den Kopf.
    Er nimmt seine Baseballkappe ab und entblößt seinen kahlen Schädel.
    »Oh, shit. Otis Poe.«
    Er setzt die Kappe wieder auf und verzieht das Gesicht. »Ich freu mich auch, Sie zu sehen.«
    Sie sieht ihn wütend an, sagt aber nichts.
    Er hebt die Hände. »Nicht schießen, okay?«, witzelt er.
    »Ich wollte gerade gehen.«
    »Hey, ich bin kein großer böser Wolf.«
    »Schlimmer. Sie sind ein Reporter.«
    »Kommen Sie schon, so abscheulich bin ich gar nicht. Sehen Sie? Ich habe keinen Notizblock in der Hand, keine Kamera, kein Mikro – nichts.« Als sie nicht reagiert, fügt er hinzu: »Hören Sie, ich sag’s nicht weiter. Sie waren nicht hier, ich war nicht hier, einverstanden?«
    »Sind Sie mir gefolgt?«
    »Reiner Zufall.«
    Sie kreuzt die Arme vor der Brust.
    »Nein, ernsthaft. Ich bin schon … oh, vier-, fünfmal hier gewesen?«
    »Ach, tatsächlich? Und wieso das?«
    »Keine Ahnung.« Er sieht sich um. »Es gibt etwas, das ich noch nicht so richtig kapiere, etwas, das mir entgangen ist. Meine Freundin meint, ich sei besessen.« Er grinst verlegen.
    »Etwas, das Ihnen entgangen ist. Was soll das heißen?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht eine Verbindung zwischen Tilly und den anderen beiden Mädchen. Sie wissen von den anderen, oder?«
    »Natürlich.«
    Seine Brauen schießen hoch. »Hat Tilly etwas über sie gesagt?«
    Sie gibt einen verächtlichen Laut von sich. »Und das würde ich ausgerechnet Ihnen verraten?«
    »Sie glauben gar nicht, was die Leute mir alles verraten.«
    »Klar. Meinen Namen zum Beispiel.«
    »Das tut mir leid.« Er hebt entschuldigend die Achseln. »Das hat jemand in meinem Blog gepostet.«
    »Ich habe mir verdammt viel Mühe gegeben, den Medien aus dem Weg zu gehen, wissen Sie?«
    »Hey, das verstehe ich, das können Sie mir glauben. Aber Tilly ist eine Nachricht, also sind Sie es auch.«
    »Es wäre aber nicht nötig gewesen, mein Foto abzudrucken.«
    »Das war der Chefredakteur.« Er dreht die Handflächen nach außen. »So läuft das Zeitungsgeschäft eben. Tut mir jedenfalls leid.«
    »Na sicher«, gibt sie sarkastisch zurück.
    »Schon gut, ich hab’s kapiert. Sie sagten, Sie wollten ›verschwinden‹.« Er zeichnet Anführungsstriche in die Luft. »Ich nehme also an, dass Sie mir kein Interview geben werden, was?«
    Sie stemmt die Hände in die Hüften und bedenkt ihn mit einem säuerlichen Blick.
    »Okay, na ja, nur dass Sie es

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