Und nehmen was kommt
Pforte ihrer Scheide vortastete, sich dort eine Spur länger aufhielt, als es für eine professionelle Aufführung nötig gewesen wäre, war das für Monika alles auf einmal: Ihr wurde warm, und sie spürte gegen ihren Willen so etwas wie Lust, Verlangen aufsteigen. Mit dem Anflug von Lust oder in ihrem Windschatten stieg aber auch eine große Traurigkeit auf, und sie hätte sich am liebsten zusammengekauert, einen Polster umarmt und hemmungslos zu heulen angefangen. Der Kunde jedoch durfte weder an der einen noch an der anderen dieser Intimitäten teilhaben, für ihn spulte sie die ganze Zeit über das Stöhnprogramm ab, das ihr furchtbar auf die Nerven ging. Hatte er nach eingehender Besichtigung dieses Treibens endlich mit einiger Selbstunterstützung abgespritzt, was die Frauen prompt mit rituellen, seiner Potenz gewidmeten Begeisterungsäußerungen quittierten, kam er nach dem Besuch des Badezimmers mit korrekt gebundener Krawatte wieder heraus, verabschiedete sich mit Komplimenten und verschwand.
Monika kann sich an etliche solche Momente erinnern, als sie, bis es wieder an der Zeit war, auf die Straße zu gehen, nebeneinander still im Bett lagen und Barbora vielleicht auf ein Zeichen gewartet hätte. Aber welche Art von Zeichen hätte sie ihr geben können? Sie hätte ihr vermitteln müssen, daß sie es ihrem Körper, der ihr nichts bedeutete, der ihr im tiefsten Herzen eine Last war, weil er sie an diese Existenz band und jetzt sogar als Werkzeug für die widerliche Drecksarbeit hier herhalten mußte, daß sie es diesem ihrem Körper nicht zubilligen wollte, auf einen nie noch erlebten Glücksmoment hinzusteuern, der ihn ihrer Kontrolle, ihrer Zurücksetzung zu entziehen drohte. Sie hätte ihr vermitteln müssen, daß dies alles beileibe nicht mit der konkreten Person Barbora in Zusammenhang stünde und schon gar nicht mit hetero, bi oder lesbisch, sondern, so es sich trotz aller Selbstbezogenheit überhaupt irgendwie an einem Gegenüber festmachen ließe, allenfalls mit dessen funktionalisierter, idealisierter, asexueller Lichtgestalt, die Monika gelegentlich noch streift, als edler Prinz zum Beispiel in der beschädigten Kopfkopie eines alten tschechischen Märchenfilms. Sie hätte ihr vermitteln müssen, daß ihr bei der Lesbennummer alles, was übers bloße Markieren hinaus ging, aus diesen Gründen eine entsetzliche Qual war, ein Übergriff, kein Trost und schon gar kein Versinken in die Entgrenzung der Lust. Sie hätte für diese komplexen Sachverhalte, was ihr hoffnungslos schien, Worte und den Mut finden müssen, sie über ihre Lippen zu bringen. Und das alles auf Speed, denn wenn sie nüchtern ist, spricht sie kaum noch.
Barbora umgekehrt beließ es selbst stets bei Andeutungen, nicht nur während der Arbeit. Wenn es denn überhaupt Andeutungen waren. Fahr ruhig in die Schweiz, sagt sie jetzt, welchen Unterton hat ihre Stimme? Es ist deine große Chance, du hast es gehört, und irgendwann würden sich unsere Wege soundso trennen, nichts bleibt ewig. Schaut, ich habe beide Adressen hier, bemüht sich Jana mit dem Blick auf die Uhr, einen Schritt weiterzukommen und der Szene die Schwere zu nehmen. Ihr könnt euch ja jederzeit schreiben und im Urlaub besuchen. Das Telefon ist übrigens auch schon erfunden.
Gleich am nächsten Morgen soll Barbora aufbrechen, Monika hingegen benötigt Reisedokumente. Ihren Zuhälter kann sie schlecht um ihren Paß angehen, also macht Jana sich erbötig, einen zu besorgen. Das wird aber einige Tage dauern, und da Monika weder Geld noch Unterkunft hat, schlage sie vor, daß sie vorübergehend in einem Prager Club Dienst mache, wo sie für eine Woche oder so sicherlich auch schlafen könne. Heute nachmittag aber machen wir drei zunächst einmal gemeinsam die Boutiquen unsicher, verkündet Jana endlich, und irgendwann dazwischen, liebe Monika, werden wir Ihre Paßfotos einschieben.
Die beiden unterschreiben und wissen genau, daß sie nicht abschätzen können, welche Konsequenzen damit verbunden sind, Monika noch weniger als Barbora. Die hat früher schon einmal in Clubs gearbeitet, mit höchst unterschiedllichen Erfahrungen. Der Alkohol kann dich ruinieren, wenn du nicht aufpaßt, ist der erste von zahlreichen Tips, die sie Monika im Lauf dieses Nachmittags mit auf den Weg gibt, ganz die alte Barbora. Der Abschied tut beiden weh, sie zögern ihn deshalb hinaus, so lange es geht. Fast wäre es sich ohne Tränen ausgegangen, aber dazu hätten sie sich nicht mehr umarmen
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