Und nehmen was kommt
Deshalb schlaft am besten eine Nacht darüber und schaut morgen um zehn im Büro vorbei, ich will euch ja nicht verführen. Wie um die Seriosität dieser Worte zu unterstreichen, reicht er Barbora eine Visitenkarte. Dann verabschiedet er sich höflich, zahlt und wendet sich zum Gehen. An der Lokaltür dreht er sich noch einmal um und betont: Aber wirklich pünktlich um zehn, um halb elf kann es schon zu spät sein, solche Jobs gehen weg wie die warmen Semmeln, laßt euch das gesagt sein.
Cheek to cheek heißt die Agentur für allerlei Zwischenmenschliches. Angesiedelt ist das kleine Büro hinter dem Eisenbahnviadukt ein Stück oberhalb des Hauptbahnhofgeländes, und wenn die massiven alten Tatra-Straßenbahngarnituren draußen vorbeirollen, zittert der Parkettboden. Auch zwei junge Frauen zittern ein bißchen, als sie den Klingelknopf drücken. Außer der weißblonden Mittdreißigerin im engen Kostüm, die ihnen öffnet, ist aber kein Mensch, vor allem kein Mann anwesend, das schafft Vertrauen. Sie sei die Leiterin der Agentur, stellt sie sich vor, Jana heiße sie, und hocherfreut gibt sie sich, daß sie bei den Damen offenbar ernsthaftes Interesse voraussetzen dürfe. Kaffee? fragt sie und bietet ihnen an, es sich doch bequem zu machen. Die frühe Märzsonne kämpft sich durch den Dunst der Stadt milchig hell in den Raum.
Drogennüchtern wollten sich Monika und Barbora trotz der frühen Stunde den Herausforderungen dieses Tages nicht aussetzen, Jana hat das schnell heraußen. Sie läßt durchblicken, daß sich alles, was sie benötigen würden, um bestvorbereitet auf die Reise zu gehen und am Ziel Eindruck zu machen, ohne Schwierigkeiten organisieren ließe, Schickes zum Anziehen beispielsweise, Ausweise oder Tabletten und dergleichen. Gemeinsam mit einer Vermittlungsgebühr würden die Kosten, die daraus entstünden, ganz einfach einem Konto zugeschlagen und in Raten zurückgezahlt.
Beiläufig erkundigt Jana sich nach dem Vorleben der beiden und gratuliert ihnen zum bevorstehenden Karrieresprung. Unsere Partner sind ausschließlich Clubs vom Feinsten, eure Aufgabe wäre es in erster Linie, durch eure Ausstrahlung für ordentliche Umsätze zu sorgen, an der Bar, im Pool, beim Tanzen. Auf den Zimmern arbeitet ihr auf eigene Rechnung, was dort geschieht und nicht geschieht, geht keinen was an. Noch eine Tasse Kaffee?
Sie schiebt etwas Small-Talk ein, ob sie denn schon viel von Prag gesehen hätten und seinem unwahrscheinlichen Boom, daß die Stadt derzeit bei finanziell gepolsterten US-Amerikanern angesagt sei und Zigtausende von ihnen hier festen Wohnsitz genommen hätten, daß andererseits alles teurer werde und der einfache Mann von der Straße längst jede Krone zweimal umdrehen müsse, daß viele Mädchen in Ausbildung oder mit ganz normalen Berufen, Studentinnen oder Friseusen, zur Aufbesserung der Finanzen am Freitagmittag hinaus aus Prag an die deutsche Grenze in einen Club fahren würden, um dort übers Wochenende gutes Geld zu machen. Am Montag in der Früh säßen sie wieder im Betriebswirtschaftsseminar oder stünden im Frisiersalon.
Und die Schweiz? wirft Barbora ein. Ja, genau, daß ich es nicht vergesse, kehrt Jana zum Thema zurück, das mit der Schweiz ist so eine Sache. Die suchen dort einen bestimmten Typ, bildhübsch, sehr jung, unschuldiger Blick, Kindfrau, mit einem Wort, sie suchen Frauen wie Monika. Das geht sich für Sie nun einmal nicht ganz aus, liebe Barbora, tut mir echt leid. Aber kein Grund zum Traurigsein. Ich schlage Ihnen eine erstklassige Adresse vor, Nähe bayerische Grenze, ganz im äußersten Westen des Landes.
Wir wollen aber unbedingt beisammen bleiben, wird Monika laut und bestimmt. Möglich ist das natürlich schon, antwortet Jana betont gelassen, aber eben ausschließlich hier in der Tschechischen Republik. Wenn ich aber ehrlich sein soll, Monika, fände ich das in Ihrem Fall ausgesprochen schade, denn in der Schweiz kann man sich, Ihre Vorzüge vorausgesetzt, wirklich ordentlich sanieren, da besteht nicht der geringste Zweifel. Oder habt ihr beide etwa eine feste Beziehung?
Barbora schaut Monika an, die schlägt die Augen zu Boden. Ihr war nie ganz klar, ob Barbora ihr vom zweiten Tag auf dem Strich an aus bloßer Sympathie beigestanden ist oder ob sie mehr für sie empfunden hat. Oft genug haben sie für die Kundschaft eine Lesbennummer miteinander abgezogen. Wenn Barbora sich dann zuweilen mit der Zunge, kaum daß es zu spüren war, von unten über den Damm an die
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